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Schmierige Heuchelei

■ betr.: "Saudis drängen auf deutsches Kriegsgerät", taz vom 12.10.90

betr.: „Saudis drängen auf deutsches Kriegsgerät“,

taz vom 12.10.90

Die jüngsten Rüstungsofferten der Regierung Kohl an das saudische Regime sind keine Einmaligkeit. Sie entsprechen einer jahrelangen Regierungspraxis, alle verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Vorbehalte eiskalt zu brechen. Und am schlimmsten: Kohl kann sich das leisten, weil eine scheinheilige SPD- und FDP-Fraktion seit 1982 zwar die jeweils aktuellen Geschäfte kritisiert, aber zur Genehmigungspraxis der früheren Sozialliberalen bis heute keine Selbstkritik übrig hat. Wie in einer billigen Komödie bringen CDU-Hinterbänkler seit Jahren diese Doppelmoral bei allen einschlägigen Bundestagsdebatten auf den Punkt. Und die Kritik verliert mit Ausnahme aus der Fraktion der Grünen jede moralische Berechtigung.

Gerade der Abgeordnete Norbert Gansel müßte eigentlich am besten wissen, daß der politische Grundsatz „keine Waffen für Spannungsgebiete“ schon in den sechziger und siebziger Jahren in der Praxis ohne jeglichen Belang war. Die Praxis einer jahrzehntelangen Geheimdiplomatie gegenüber Bundestag und Öffentlichkeit über alle genehmigten Rüstungs- und Atomgeschäfte ermöglicht eine derart schmierige Heuchelei. Was soll also die feige Doppelmoral und, so frage ich mich, die entstellende Berichterstattung in der taz? SPD und FDP haben bis auf den Leo II. alles genehmigt, alles geliefert und alles vertuscht vor dem Bundestag, was die Rüstungsindustrie genehmigt wissen wollte. Die SIPRI- und ACDA-Statistiken waren schon in den Siebzigern voll mit deutschen Genehmigungen von Waffen für Saudi-Arabien und die übrige Golfregion.

Die SPD- und FDP-Politiker haben zudem mit ihrem Schweigen zu US-Materialtransporten von bundesdeutschen US-Basen nach Saudi- Arabien einmal mehr gezeigt, wo die Kritik endet und die Scheinheiligkeit beginnt. Bernhard Faltin, Emmendingen

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