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Uni Vechta wird ausgehungert

■ Rot-grüne Landesregierung hat keinen Respekt mehr vor dem Vatikan

Der Ton wird gereizter, die Argumente schärfer. Diplomatische Sprachregelungen und akademische Contenance bleiben zunehmend auf der Strecke. Die Kontrahenten, so scheint es, sammeln ihre Bataillone zum letzten Gefecht. Der „Casus belli“: Die niedersächsische Landesregierung will die ihrer Meinung nach uneffektive Lehrerausbildung der Universität Osnabrück im Standort Vechta schließen lassen. Sie bedient sich nach Meinung der Vechtaer Abteilung dabei mangels rechtlicher Handhabe einer „Aushungerungs-und Austrocknungstaktik“. Die gehe leise über die Bühne, wird kritisiert, per Stellenstreichung und Dienstpostenreduzierung.

Auf dem Campus und in der 24.000 Einwohner zählenden Universitäts-Kreisstadt im Oldenburger Münsterland hat sich der Widerstand formiert. Eine bisher 1.100 Mitglieder starke Bürgerinitiative „Pro Uni“ droht mit Protesten. Der AStA probt den Aufstand, Akademiker proklamieren den „Kulturkampf“. Gallionsfigur der Revolte gegen den „Unverstand von oben“ ist der Uni-Vizepräsident Hans-Wilhelm Windhorst. Der fühlt sich von der Universität Osnabrück im Stich gelassen und ihr nur noch de jure, nicht mehr de facto verbunden.

Im Windschatten der ihr wohlwollend zugeneigten ehemaligen CDU-Landesregierung hatten sich die heutigen Vechtaer Separatisten zu lange sicher gefühlt. Als vor fast drei Jahren erste Überlegungen des damaligen SPD-Oppositionsführers Gerhard Schröder gegen den Universitätsstandort laut wurden, die SPD-Landtagsfraktion Ende 1989 unverhohlen die Beendigung der Lehrerausbildung in Vechta forderte, hielt sich die Empörung noch in Grenzen. Man glaubte, das 1965 zwischen dem Vatikan und Niedersachsen geschlossene Konkordat würde Schutz bieten. Darin war der Universitätsstandort Vechta vereinbart und zugesagt worden, Änderungen einvernehmlich zu regeln.

Die Bestätigung einer Existenzberechtigung erhoffte man sich zudem von den Gutachten einer noch von der Albrecht-Regierung eingesetzten Hochschulstrukturkommission. Ein Trugschluß, wie sich erweisen sollte. Erst jetzt brannten in Vechta sämtliche Warnlampen. Weder aus völkerrechtlichen, noch aus regionalpolitischen und auch nicht aus hochschulpolitischen Gründen, so der „Vize“ Hans- Wilhelm Windhorst, könne der Universitätsstandort Vechta geschlossen werden. Schützenhilfe leisten örtliche Parteigrößen, eine breite öffentliche Meinung und der Bischof von Münster. Der sehe, wurde mitgeteilt, keinen Anlaß, die Konkordatsvereinbarungen zu ändern.

Doch der Feind stand im eigenen Lager. Das „Mutterhaus Osnabrück“, so Windhorsts späte Erkenntnis, habe die Prosperität Vechtas hintertrieben und damit gröblichst gegen Fürsorgepflichten verstoßen. Spontane Konsequenz in Vechta: Trennung von der Universität Osnabrück und Proklamierung der Eigenständigkeit. Was zählen wird, sind Argumente. Windhorst nannte vergangene Woche im Wissenschaftsministerium: Steigende Einschreibungen bei den Lehramtsanwärtern (plus 30 Prozent), freie Kapazitäten bei anderswo überfüllten Universitäten, Installierung weiterer Studiengänge, anerkannte Forschungsleistungen mit breiter Basis durch Ansiedlung von bisher vier Instituten, wissenschaftliche Kooperation mit anderen Universitäten, Gewährung finanzierbarer Studienbedingungen.

Die relativ geringe Zahl der Lehramtsanwärter (190 in ganz Niedersachsen) sei kein spezifisches Problem Vechtas, sondern ein Problem der Lehrerausbildung in Niedersachsen. Die Zerschlagung einer funktionierenden, mit 800 StudentInnen besetzten, modern ausgestatteten und über 1.000 Studienplätzen verfügenden Universität sei dem Steuerzahler schwer verständlich zu machen, mußte sich Helga Schuchardt (parteilos) als Wissenschaftsministerin anhören.

Würden Vechta die Autonomie, die Stärkung der Lehrerausbildung, die Einrichtung neuer attraktiver Studiengänge und der Ausbau vorhandener Forschungsinstitute inklusive zusätzlicher Studiengänge zugestanden, könne es als Universitätsstandort überleben, meinte Windhorst. Er werde auf die Einhaltung der niedersächsischen Staatsverfassung pochen. Die garantiere im Artikel 56 dem Universitätsstandort Vechta den Bestandsschutz. Heinrich Heeren (dpa)

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