Polens Presse wird privatisiert

100 Zeitungen sollen zum Kauf angeboten werden/ 8 gehen an den Staat, 71 an die Journalisten  ■ Aus Warschau Klaus Bachmann

Selten dürfte die Montagsausgabe der Regierungszeitung 'Rzeczpospolita‘ in Polens Redaktionen so aufmerksam gelesen worden sein — sie nämlich bringt den Vorschlag der Liquidierungskommission des RSW- Pressekonzerns, wie das vom Staat übernommene Vermögen des KP- Presseriesen aufgeteilt werden soll. Dem können die Journalisten in den Redaktionsstuben nun entnehmen, ob sie selbst Eigentümer ihrer Zeitung werden, ob sie verkauft oder vom Staat übernommen werden.

Die Veröffentlichung erfolgt zu einem Zeitpunkt, da die Kommission selbst unter heftige Kritik in der Öffentlichkeit gekommen ist. Sie hatte in bisherige RSW-Redaktionen zwei neue Chefredakteure gesetzt, die aus politischen Parteien stammen. Der nunmehr vorgelegte Plan zur Aufteilung des Konzerns, der von der Regierung noch gebilligt werden muß, wird mit Sicherheit zu weiteren Auseinandersetzungen führen. Schon jetzt nämlich fürchten viele Journalisten, Polens Presse werde aufgrund ihrer Dekapitalisierung an ausländische Pressekonzerne verschleudert.

Insgesamt 100 Titel will die Kommission zum Verkauf an den Meistbietenden ausschreiben, darunter so bekannte Titel wie die 'Gazeta Krakowska‘, die Warschauer Boulevardzeitung 'Express Wieczorny‘, das Organ der aus der PVAP hervorgegangenen Sozialdemokraten, 'Trybuna‘ (einstmals 'Trybuna Ludu‘) und verschiedene andere. Verkauft werden soll auch die Zweiwochenzeitung der deutschen Minderheit in Oppeln, 'Oberschlesische Nachrichten‘. Für mehr als die Hälfte davon, insgesamt 54 Titel, liegen bereits Angebote ausländischer Interessenten vor. Die größte Aktivität legte dabei der französische Verleger Hersant an den Tag, schreibt die 'Rzeczpospolita‘. Hersant will gleich 21 Zeitungen, Maxwell nur elf, der Australier Murdoch eine Zeitung kaufen bzw. sich an ihr beteiligen.

Von den 71 Titeln, die an von den Belegschaften gegründete Genossenschaften gehen sollen, sind vor allem das Krakauer 'Zycie Literackie‘ und die Posener Wochenzeitung 'Wprost‘ sowie die Warschauer Wochenzeitung 'Polityka‘ bekannter. Vom Staat übernommen werden außer Spezialperiodika insgesamt fünf schlesische Zeitungen und Zeitschriften.

Ein Teil der Interpress-Agentur wird darüber hinaus voraussichtlich vom Außenminister oder vom Pressebüro des Ministerpräsidenten übernommen werden. Wie die Zeitungen, so sollen auch die Druckereien größtenteils privatisiert werden, für den Vertrieb wird eine Aktiengesellschaft angestrebt, an der sich dann auch ausländische Investoren beteiligen können. Interesse haben bereits schwedische Unternehmen angemeldet.