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Wettrennen um 90 Unterschriften

■ Bürgerbewegungen der Ex-DDR droht Ausschluß von Bundestagswahl/ Listenvereinigung kann Fristen wahrscheinlich nicht einhalten/ Organklage beim Bundesverfassungsgericht eingereicht

Berlin/Karlsruhe (afp/dpa/taz) — Den Bürgerbewegungen der ehemaligen DDR droht ein Ausschluß von den Wahlen zum Bundestag am 2. Dezember, weil sie die Frist zur Anmeldung ihrer Listenvereinigung aufgrund ihrer Organisationsstrukturen wahrscheinlich nicht einhalten können. Mit einer Organklage und dem Antrag auf eine einstweilige Anordnung vor dem Verfassungsgericht versuchten die Bundes-Grünen gestern, eine Verlängerung der Frist zu erreichen. Der zweite Senat wollte noch gestern über diese Anträge entscheiden.

Laut dem Koordinierungsrat der Listenvereinigung hat der Bundeswahlleiter die am Wochenende eingereichte Anmeldung der Listenvereinigung durch deren zentrale Gremien als nicht ausreichend bezeichnet. Neben den Unterschriften der Gesamtorganisationen habe er die aller Landesvorstände verlangt. Laut Christian Ströbele von den Bonner Grünen müßten demnach bis gestern nacht 24.00 Uhr insgesamt 90 Unterschriften vorliegen: Von jedem Landesvorstand aller fünf Gruppierungen würden drei Unterschriften gefordert. Bei fünf Gruppierungen in den fünf neuen Ländern plus Ost- Berlin ergebe das die Zahl 90. In der Listenvereinigung haben sich die Grünen Ost, das Neue Forum, Demokratie Jetzt, Initiative für Frieden und Menschenrechte und der Unabhängige Frauenverband zusammengeschlossen.

Nach Ansicht der Listenvereinigung interpretierte der Bundeswahlleiter mit seiner Forderung das Wahlgesetz gegen die Absicht des Bundesverfassungsgerichts. Dieses hatte eine erste Fassung des Wahlgesetzes als verfassungswidrig abgelehnt, weil es den Bürgerbewegungen zu wenig Chancen bei den Bundestagswahlen einräumte. Daraufhin war im Eilverfahren ein neues Wahlgesetz verabschiedet worden, das für diese Wahlen zwei getrennte Wahlgebiete in Ost- und Westdeutschland vorsieht. Für die ehemalige DDR wurden Listenvereinigungen zugelassen. Paragraph 53, Absatz 2, Satz 1 des neuen Wahlgesetzes sieht vor, daß Listenvereinigungen über ihre Landesleitungsorgane angemeldet werden.

Regina Templin von der Initiative für Frieden und Menschenrechte wies in Berlin darauf hin, daß die Listenvereinigung ihre Beteiligung an den Bundestagswahlen am vergangenen Sonntag fristgemäß angemeldet habe. Dies sei durch die Verantwortlichen der einzelnen Organisationen geschehen. „Mit Empörung“ habe der Koordinierungsrat zur Kenntnis genommen, „daß der Bundeswahlleiter die Anmeldung durch seine zentralen Gremien als Listenvereinigung zur Bundestagswahl als nicht ausreichend bezeichnet hat“. Der Bundeswahlleiter dürfe nicht „hinter das Demokratieverständnis des Bundesverfassungsgerichts zurückfallen“.

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