Den Eisherstellern gingen die Verpackungen aus

■ Der heiße Sommer und die neue DDR-Nachfrage führten zu Rekordumsätzen/ „Impuls-Eis“ ist besonders begehrt

Hamburg (taz) — „Icecream, you scream“ — und besonders laut schrien die Menschen in der Ex- DDR nach bundesdeutschem Markeneis. So viele Ossis wollten sich in diesem Jahr einen noggern, daß Langnese, Schöller, Warncke & Co. trotz Dreischichtbetrieb mit den Lieferungen nicht nachkamen - es fehlte an Verpackungen. Problemlos hätten fünf bis zehn Millionen Liter Eiskrem mehr abgesetzt werden können, berichtete jetzt Max Bialek, Vorsitzender der Fachsparte Eiskrem im Bundesverband der Süßwarenindustrie. Dort sind jene zwölf industriellen Eishersteller zusammengeschlossen, auf die rund achtzig Prozent des bislang westdeutschen Speiseeismarktes entfallen.

Trotz der Produktionsengpässe schleckten die neuen Bundesbürger allerdings schon beachtliche zwei Liter Westeis pro Zunge, sechzig Prozent der Steigerung des Eisabsatzes um fünfzig Millionen Liter. Insgesamt 430 Millionen Liter Eiskrem werden verdrückt worden sein, wenn Weihnachten dem Gänsebraten noch ein Schälchen Fürst Pückler hinterhergeschickt worden ist, nach Menge dreizehn Prozent mehr als im Vorjahr. 4,2 Milliarden Mark zu Endverbraucherpreisen wird die Speiseeisbranche dann umgesetzt haben; das entspricht nach Wert einem Plus von achtzehn Prozent.

An diesem für die Eishersteller besonders erfreulichen Auseinanderfallen der Zuwachsraten waren — außer dem heißen Sommer — die Ex- DDRler besonders stark beteiligt. Sie stürzten sich nämlich vor allem auf das teurere „Impuls-Eis“. So heißt im Fachjargon das Eis am Stiel, das früher Kindereis genannt wurde, heute mit oder ohne Holzeinlage offeriert und impulsiv verzehrt wird — und damit teurer kommen darf. Der Zuwachs in diesem Bereich fiel mit knapp 29 Prozent besonders üppig aus. Daß die Haushaltspackungen, die rund fünfzig Prozent des Absatzes ausmachen, in den neuen Bundesländern nicht so gut gingen, führte Bialek auf den geringeren Ausstattungsgrad mit Gefriertruhen (vierzig Prozent gegenüber siebzig Prozent in Westdeutschland) zurück. So eindrucksvoll die zwei Liter Eis pro Zunge aus dem Stand auch waren, müssen sie mit den acht Litern verglichen werden, die die AltbundesbürgerInnen jährlich pro Zunge vertilgen. Erst wenn dieses Niveau erreicht ist, können gesamtdeutsch höhere Aufgaben erledigt werden. Mit ihren 23 Liter Eiskrem setzen da die US-BürgerInnen echte Maßstäbe, um nicht zu sagen: Eisberge.

Vor der Ökowelle haben die Hersteller keine Angst. „Eis ist nunmal ein Genußmittel, und da hat das Gesundheitsbewußtsein enge Grenzen“, so Bialek. Dies komme auch in den geringen Marktanteilen von Joghurt- oder kalorienreduziertem Eis zum Ausdruck, die es nur auf jeweils deutlich unter fünf Prozent bringen. Und schließlich haben sich die als so gesundheitsbewußt geltenden US- AmerikanerInnen ihren Rekord erfressen, obwohl das Eis dort mit einem Fettgehalt von 18 Prozent fast doppelt so cholesterinhaltig ist wie das hiesige.

Um ihnen dennoch ein Stückchen näher zu kommen, wird es auch im kommenden Jahr wieder neue Eisdesigns geben. Am Inhalt jedoch wird sich kaum etwas ändern. Denn Maracuja oder Kiwi kommen und gehen, doch die Vanille bleibt bestehen. Mit 60 Prozent am Verkauf ist diese Geschmacksrichtung gewissermaßen des Deutschen „Eiskartoffel“. Es folgen Schokolade, Erdbeer und Nuß. Und dann lange, lange gar nichts. Kai Fabig