: Kein Geld für Krebsstudien
■ Verpaßte Chancen für Leukämie-Studie in Münchehagen und Sittensen
Im Bereich der Giftmülldeponie Münchehagen gibt es mehr Leukämiefälle als normal. Das wissen Politiker in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen, seit das Bremer Institut für Präventionsforschung und Sozialmedizin (BIPS) im Mai eine entsprechende Studie für das an die Deponie angrenzende nordrhein- westfälische Gebiet vorgelegt hat. Die Untersuchung um die dioxinbeladene Halde wurde zehn Tage vor der Wahl von der damals noch opponierenden SPD in Hannover veröffentlicht. „Grobe Fahrlässigkeit“ warf Monika Griefahn, heute Umweltministerin, dem noch CDU-beherrschten Sozialministerium vor, das eine Beteiligung abgelehnt hatte.
Doch auch die neue rot-grüne Regierung tut sich schwer mit der Untersuchung, die Grundlage einer länderübergreifenden Studie sein soll. Im nordrhein-westfälische Gesundheitsministerium sind sich die Experten immer noch nicht sicher, ob die Studie aus Niedersachsen nun kommt oder nicht. Die weitere Finanzierung ist in Düsseldorf bereits gesichert. In Hannover wurde sie bisher gleich drei Mal verpaßt.
Die vom niedersächsischen Sozialministerium zum zweiten Nachtragshaushalt 1990 — dem ersten rot-grünen Finanztopf — beantragten 450.000 Mark lehnte das Finanzministerium ab. „Zu spät“ sei der Antrag eingegangen. An das Sozialministerium schrieb man gar, die Studie sei „eigentlich überflüssig“, da Münchehagen ja saniert werden solle.
Das Sozialministerium gab der SPD-Fraktion einen Tip: Im Haushaltsausschuß sollte die Finanzierung von Münchehagen- Expertin Bärbel Tewes (SPD) gesichert werden. Obwohl noch zwei Ausschuß-Sitzungen ausstanden, begründet Tewes die dennoch verpaßte Chance mit organisatorisch Problemen: „Der Apparat konnte nicht so schnell reagieren.“
Im Haushaltsentwurf 1991 wurde dann ebenfalls kein Einzelposten eingerichtet. Den Regierungsfraktionen sollte es überlassen werden, sich in den Parlamentsberatungen mit der Absicherung der Studie zu profilieren. Tewes scheint auch dies nicht mehr sicher: „Ein Einzelposten wäre mir lieber gewesen“, meint die Politikerin inzwischen. Damit liegen auch zwei weitere niedersächsische Leukämiestudien für Sittensen und das Atomkraftwerk Krümmel auf Eis. Umweltministerin Griefahn hat jetzt an Sozialminister Walter Hiller appelliert, er möge die Finanzierung über das Kabinett absichern lassen.
Das Bremer Institut könnte sofort die niedersächsische Untersuchung beginnen. Auch wenn das Geld erst im nächsten Jahr komme, „wir brauchen nur eine schriftliche Zusage“, hieß es im BIPS. Für den Sprecher der Bürgerinitiative in Münchehagen, Heinrich Bredemeier, steht zumindest eines fest: „Das ist heute alles noch viel schlimmer als bei der alten Regierung.“ dpa
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