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Tausende Flüchtlinge in Gefahr

■ Niedersachsen beschloß Bleiberecht, Bremen nicht / Zeit drängt: Neues Ausländerrecht ab 1.1.90

Bremen könnte sich ein Vorbild am niedersächsischen Nachbarn und am Stadtstaat Berlin nehmen, erhebliche Kosten sparen, die Verwaltung entlasten und gleichzeitig tausenden Flüchtlingen in Bremen etwas Gutes tun. Wie das geht, erläuterten gestern Bremer Anwälte, Ausländerinitiativen und die Grünen.

Niedersachsen hat am 16. Oktober mit einer „Altfallregelung“ allen Asylantragstellern aus Kriegsgebieten, die sich am 1.8.1990 legal im Land aufhielten, einen Anspruch auf eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis verschafft. Auch bei abgelehnten Asylanträgen werden diese „De- facto-Flüchtlinge“ sowieso in der Bundesrepublik geduldet und beziehen Sozialhilfe. Weil im Libanon, im Iran, im Irak, in Sri Lanka, Albanien und einigen anderen Ländern Bürgerkrieg herrscht, verbieten die Genfer Flüchtlingskonvention und das Grundgesetz ihre Abschiebung. Auch Christen und Yeziden, die vor Verfolgung aus der Türkei geflohen sind, erhalten eine jeweils auf drei bis sechs Monate befristete „Duldung“.

Diese „Duldung“ berechtigt jedoch auch nach Jahren noch nicht zur Annahme einer Arbeit. „Wer eine Arbeitserlaubnis haben will, muß erstmal eine Aufenthaltserlaubnis haben“, berichtete Mageda Abou-Khalil von der Libanesischen Flüchtlingsgruppe aus der Behörden-Praxis, „aber wer eine Aufenthaltserlaubnis haben will, wird erstmal nach der Arbeitserlaubnis gefragt.“

Aus diesem Teufelskreis, der „De-facto-Flüchtlinge“ auf Jahre zum Nichtstun verdammt, würde eine Bleiberechts-Regelung nach niedersächsischen Vorbild heraushelfen. Außerdem könnten tausende Asylanträge, die jetzt noch die Verwaltungsgerichte überlasten, mit einem Schlag erledigt werden. Wartezeiten von über fünf Jahren, wie sie zur Zeit bei Asyl-Klagen üblich sind, würden stark verkürzt.

Die Grünen haben für die nächste Bürgerschaftssitzung einen Antrag eingebracht, mit dem der Senat aufgefordert werden soll, dem Vorbild Niedersachsens und Berlins mit einer eigenen Bleiberecht-Regelung zu folgen. Die Zeit dafür drängt, denn ab 1.1.1991 verbietet das neue Ausländergesetz solche Alleingänge der Bundesländer. „Wer bis dahin keine Aufenthaltsberechtigung hat, wird wohl auch keine mehr bekommen“, befürchtet der Anwalt Albert Timmer.

In Gefahr sind ab Januar auch mehrere tausend Kurden, die vor dem Krieg der türkischen Regierung gegen ihr Volk nach Bremen geflohen sind. Die Bremer Sonderregelung, die ihnen eine Duldung auch bei abgelehntem Asylantrag verschafft, läuft ebenfalls mit Inkrafttreten des neuen Ausländergesetzes aus. „Bremen läßt die Kurden sehenden Auges ins offene Messer rennen, wenn nicht schnell eine Bleiberechts-Regelung geschaffen wird“, fürchtet Anwalt Eberhard Schultz, der sich mehrmals mit Parlamentsdelegationen vor Ort über die Verfolgung der kurdischen Bevölkerung informiert hat.

Erst im August hat die Türkei dem Europarat offiziell mitgeteilt, daß sie mehrere Vorschriften der Europäischen Menschenrechtskonvention in den „südanatolischen Provinzen“, der Heimat der Kurden, außer Kraft gesetzt hat. Dazu gehören die Pressefreiheit, die Unverletzbarkeit der Person und der Wohnung und das Verbot der Folter. „Trotzdem erkennen die Gerichte noch immer keine Gruppenverfolgung von Kurden an“, beklagt Anwalt Schultz.

Keinen Grund zur besonderen Eile sieht derweil der Bremer Innensenator. „Wir haben die niedersächsische Regelung inzwischen vorliegen und prüfen, wie sie sich von unserer eigenen Regelung unterscheidet“, teilte Sprecher Kleen mit. Dirk Asendorpf

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