: Die Drogenmafia steckt ihre Finger ins Bananengeschäft
Im kolumbianischen Urabá ist nach Kämpfen zwischen den Gewerkschaften und gegen die traditionellen Plantagenbesitzer ein neuer Feind aufgetaucht ■ Von Ricarda Knabe
Urabá im Oktober: Unter dem kleinen Propellerflugzeug ziehen endlose Bananenplantagen vorbei. Nach der Landung erwarten 30 Soldaten in grüngescheckten Uniformen die wenigen Fluggäste, durchsuchen das Gepäck und prüfen die Ausweise. Urabá ist Guerilla-Gebiet, die Lage ist angespannt. Zwei Tage zuvor, während der Tarifverhandlungen, hatten unbekannte Attentäter zwei Gewerkschafter ermordet. Seitdem streiken 28.000 Arbeiter auf den Plantagen. Das Militär befürchtet Sabotageaktionen der Rebellen.
Hier, im Nordwesten Kolumbiens, werden — auf einer Fläche halb so groß wie West-Berlin — Bananen angebaut. Als „Chiquitas“ und „Onkel Tuca Bananas“ sind sie in deutschen Supermärkten zu haben. Die jährlich 50.000 exportierten Kartons Bananen bringen 250 Millionen Dollar in kolumbianische Kassen. Damit stehen Bananen nach den Bodenschätzen Erdöl und Kohle sowie dem Kaffee als Exportprodukt an dritter Stelle — von der Kokainausfuhr einmal abgesehen.
Im Sitzungssaal des Gemeinderats von Apartadó, dem Hauptort der Region, sind die beiden ermordeten Gewerkschafter aufgebahrt. Vor den pompösen Särgen liegen an die hundert Kränze — „Volksmiliz“, „Die Arbeiter der Finca Llano Grande“ und „Amen Halleluja“ steht in goldenen Lettern auf den schwarzen Schleifen. Den Gewerkschaftsführer Sebastian Mosquera hatten zwei Männer vor den fassungslosen Blicken der Mitreisenden erschossen, als er mit dem Bus zu einer Plantage unterwegs war. Dort wollte er den Arbeitern über den Fortgang der Tarifverhandlungen berichten. Den Arbeiter Eulises Gomez ermordeten Unbekannte am Abend des gleichen Tages auf dem Weg nach Hause.
Oliverio Molina ist Vizepräsident der Bananenarbeiter-Gewerkschaft und Mitglied der KP. Er erzählt: „Als sie mich 1984 nach Urabá schickten, gab es keine Gewerkschaften. Die waren hier de facto illegal. In den vergangenen Jahren haben wir dann viele Forderungen durchsetzen können. Aber das haben wir nicht gratis bekommen. Diese Verbesserungen in Urabá haben uns an die 700 Tote gekostet: Bananenarbeiter, Gewerkschaftsführer und Politiker der Linken.“
Doch nicht alle diese Opfer gehen auf das Konto der Plantagenbesitzer. 1985 und 1986 bekriegten sich die beiden starken Gewerkschaften der Bananenarbeiter, Sintrabanano — die der KP nahestand — und Sintagro — mit prochinesicher Orientierung — bis aufs Messer. Allein auf den Fincas „Petra“ und „Balboa“ ließen dabei 18 Arbeiter ihr Leben. Als die kolumbianische Regierung 1984 einen allerdings nicht dauerhaften Waffenstillstand mit den wichtigsten Guerillaorganisationen des Landes schloß, bemühten sich die kommunistische FARC und die prochinesische EPL, in der Gewerkschaft der Bananenarbeiter Einfluß zu gewinnen. Seitdem ist jedenfalls der Vorsitzende der Vereinigung der Bananenproduzenten, Carrizosa, davon überzeugt, daß Guerilla und Gewerkschaft ein und dasselbe ist.
„Natürlich“, gibt auch Gewerkschaftsführer Olivero Molina zu, „haben die Guerilleros viel dazu beigetragen, daß sich mehr und mehr Arbeiter der Gewerkschaft anschlossen. Die kamen schon mal aus ihren Camps in den Bergen der Kordilleren auf die Plantagen und verteilten Flugblätter, um für die Arbeiterorganisation zu werben.“
Auch heute gibt es enge Verbindungenn zwischen Guerilla und Gewerkschaft. Der Flügel, der mit der prochinesischen Guerilla sympathisiert, hat die Bananenarbeiter auf den Fincas in „Milicias Populares“, Volksmilizen, organisiert. Irgendwo auf den Plantagen, vergraben zwischen Bananenstauden, befinden sich ihre geheimen Waffenlager. Immer wenn sich Arbeitskonflikte zuspitzen, werden sie mit Sabotageaktionen aktiv. Da gehen die Holzschuppen, in denen die Bananenkartons gestapelt sind, in Flammen auf. Nachts sägen Milizionäre die Kabel der Seilbahn durch, die die Bananenstauden transportiert. Verwalter, die nicht mit der Gewerkschaft kooperieren wollen oder im Verdacht stehen, mit dem Militär gegen Guerilla und Gewerkschaften zusammenzuarbeiten, werden nicht selten erschossen.
„Was in der Region stattgefunden hat, ist ein spektakulärer Wirtschaftsboom, ohne daß die lokale Bevölkerung auch nur minimal von den Gewinnen profiziert hätte“, erklärt der kolumbianische Soziologe Carlos Palacios die Ursachen der bewaffneten Konflikte in Urabá, „im Grunde ist die Guerilla so etwas wie eine bewaffnete Gewerkschaft, die für die Verbesserung der Lebensbedingungen der Arbeiter kämpft.“
Seit ungefähr 1978 begann die Guerilla, Plantagen- und Fincabesitzer zu entführen, um sich zu finanzieren. 160 Vorarbeiter und mehr als 60 Verwalter starben auf diese Weise. Ein weiterer Faktor heizt jedoch die gespannte Lage weiter an: Die Drogenmafia kaufte in jüngster Zeit massiv Land in der Region. Gewerkschaftsvize Oliverio Molina: „Seit Mitte 1988 hat die Drogenmafia mindestens schon dreizehn Bananenfincas gekauft. Von der Unternehmensgruppe Agroeste zum Beispiel wissen wir ganz genau, daß es Drogenhändler sind. Besonders schwerwiegend ist, daß sie auch schon die Unternehmen zur Vermarktung der Bananen kontrollieren. In der Firma Proban haben sie inzwischen den stärksten Einfluß. Die Mafia unterhält sogar schon eigene Schiffe. Sie sind auf dem besten Weg die ganze Bananenproduktion zu kontrollieren.“
Mit verstärkten wirtschaftlichen Interessen der Drogenmafia in Urabá verschärften sich die gewaltsamen Konflikte weiter. 1988 kam es zu mehreren Massakern an Arbeitern auf den Plantagen. Bei der Untersuchung der Verbrechen erbrachten der kolumbianische Geheimdienst und die Justizbehörden zahlreiche Beweise, daß örtliche Militärs und ein Killerkommando der Mafia für sie verantwortlich zeichneten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen