: Ampel auf Demokratie
■ Zur Koalitionsbildung in Brandenburg KOMMENTARE
Jetzt ist die brandenburgische Ampelkoalition, die eigentlich schon am Wahlabend angekündigt wurde, beschlossene Sache. Sie wird mit weit weniger Enthusiasmus angenommen, als man eigentlich anfangs erwarten konnte. Immerhin korrigiert diese Koalition das Bild des totalen politischen Durchmarschs der Christdemokraten. In ihr bekommen die Revolutionäre des revolutionären Herbstes '89 eben die Chance, die sie nach dem Herbst nicht hatten: nämlich politische Verantwortung zu übernehmen. Mit der Koalition in Brandenburg wird das Bündnis 90 nun endlich etwas mehr sein als nur eine herablassend gefeierte moralische Opposition in dem Deutschland, das jetzt anfängt sich zu vereinen. Daß jetzt ein Schleier von grauer Normalität über der Inauguration dieser Koalition liegt, die ja immerhin eine Novität in der deutschen Parteienlandschaft darstellt und mithin einige Hoffnung auf eine größere politische Beweglichkeit erweckt, kann seinen Grund haben in der etwas inhaltlosen Einigkeit, die jetzt alle drei Koalitionspartner nach den anfänglichen Irritationen beschwören. Auch hat Manfred Stolpe sich nicht hinreißen lassen, eine politische Idee einer solchen Regierung zu formulieren. Er hat sich auf den landesväterlichen Bariton von der besten aller möglichen Regierungen für Brandenburg beschränkt. So darf gerätselt werden, an welchen Ansprüchen und Hoffnungen eine solche Koalition gemessen werden darf.
Es mag taktisch geschickt sein, Erwartungen vorzubeugen. Schließlich hat es in der kurzen Reformzeit der ehemaligen DDR allzu viele Erfahrungen gegeben, wie eine neue politische Klasse sich rüde aller Erwartungen und Ansprüche entledigte. Aber dennoch ist unübersehbar, daß nur zwei der fünf neuen Bundesländer unter einer Reformerwartung antreten: das Land Sachsen einerseits, dessen Regierungschef Biedenkopf ausdrücklich in das Zentrum seiner Regierungstätigkeit das Projekt rückte, die Situation des Defizits und Neuanfangs als Chance zu nutzen und eine Modernisierung der Verwaltung einzuleiten. Andererseits eben Brandenburg. Der Reformanspruch ist da nicht durch die Programmatik, sondern durch die Konstellation gegeben. Die Regierung kann sich nicht nur daran messen lassen, wie weit sie einen sozialdemokratischen Begriff vom Sozialstaat verwirklichen will, wie weit sie ein Schulsystem nach dem Bild der A-Länder schaffen will, auch nicht danach allein, ob sie umweltverträgliche Arbeitsplätze beschaffen kann. Mit der Teilnahme des Wahlbündnisses 90 ist unvermeidlich das Thema Demokratie mit dem des Neuaufbaus der Verwaltung verbunden. Die Ampelkoalition — leider nur eben sie — wird sich fragen lassen müssen, wie sehr sie den Gedanken der Demokratisierung, der Bürgerbeteiligung, der Öffentlichkeit zum politischen Ziel erhebt. Das Bündnis 90 insbesondere steht da in der Pflicht. Und es stimmt schon bedenklich, wenn es sich auf Ressorts drängen läßt, die grosso modo der grünen Clientel entsprechen. Hoffen wir, bei allen heruntergeschraubten Ansprüchen, daß die Ampelkoalition nicht so geschaltet ist, wie sonst die Ampeln in der ehemaligen DDR: mit einer sehr langen Gelbphase. Klaus Hartung
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