: Mitterrand: Der Golfkrieg steht bevor
■ Frankreichs Präsident rechnet mit US-Schlag vor den Kongreßwahlen am 6.November/ Irakische Streicheleinheiten für Paris ärgern Washington/ Irakischer Überfall forderte über 4.000 Tote
Paris/Bagdad (ap/dpa) —Der französische Staatspräsident Francois Mitterrand ist nach übereinstimmender Darstellung zweier Pariser Zeitungen der Ansicht, daß in der Golfkrise ein Krieg unvermeidlich ist und vermutlich noch vor den amerikanischen Kongreßwahlen am 6. November ausbrechen wird. Die 'International Herald Tribune‘ berichtete gestern, Mitterrand habe vorige Woche einem Besucher anvertraut, angesichts der Unnachgiebigkeit Saddams bestehe offenbar keine Alternative zum Krieg. Das Wochenblatt 'Le canard enchainé‘ zitierte am Mittwoch den Staatspräsidenten mit den Worten, ein Konflikt am Golf stehe „unmittelbar bevor“.
Dem Bericht der 'Herald Tribune‘ zufolge hat Mitterrand geäußert, amerikanische Regierungsbeamte hätten ihm zu verstehen gegeben, daß die USA bis zum 5. November — dem Tag vor den Kongreßwahlen — losschlagen wollten. Mitterrand soll den zeitlichen Ablauf so geschildert haben, daß die USA zunächst eine UNO-Resolution durchsetzen wollen, mit der Irak aufgefordert wird, die Wiederbelieferung der westlichen Botschaften in Kuwait zuzulassen. Wenn Bagdad sich weigere, könnte Washington dies als Rechtfertigung für einen militärischen Schlag betrachten. Die 'Herald Tribune‘ berichtete weiter, es gebe keine Bedenken mehr gegen eine französische Zusammenarbeit mit US-Truppen.
Militärische Beobachter bestätigten gestern Mitterrands Ansicht, die westlichen Militäraktivitäten in der Golfregion strebten einem Höhepunkt zu. US-Senator Richard Lugar, ein führendes Mitglied des außenpolitischen Senatsausschusses, erklärte: „Tatsache ist, daß wir uns auf einen Konflikt zubewegen.“
Innerhalb der US-Regierung wurde unterdessen die Auffassung vertreten, daß der irakische Präsident Saddam Hussein mittels der von ihm festgehaltenen ausländischen Geiseln versucht, die internationale Koalition gegen sein Land aufzubrechen. Irak hatte am Dienstag angekündigt, es werde alle französischen Geiseln ausreisen lassen. Die Abreise der etwa 330 Franzosen soll am Samstag beginnen. In der irakischen Presse hieß es dazu am Donnerstag, Bagdad lasse die Franzosen als Zeichen der Wertschätzung der französischen Position gegenüber der Golfkrise ausreisen. Insbesondere gelte dies für die Erklärung Mitterrands vor der UNO-Vollversammlung, in der er zur umfassenden Lösung aller Nahostprobleme aufgerufen habe. Dumas versicherte seinem amerikanischen Amtskollegen Baker inzwischen telefonisch, daß sich die Position Frankreichs angesichts der Geiselfreilassung nicht geändert habe.
Der Moskauer Sonderbeauftragte Jewgeni Primakow traf am Donnerstag mit einem Schreiben des sowjetischen Präsidenten Gorbatschow an den syrischen Staatschef Hafis al- Assad in Damaskus ein. Bei seiner Ankunft sagte er, die Chancen für eine friedliche Lösung des Konflikts seien noch nicht ausgeschöpft. Heute will er in Kairo mit dem ägyptischen Staatspräsidenten Husni Mubarak Gespräche führen.
Mubarak reiste unterdessen durch die Golfstaaten und traf gestern in Oman ein. Die im Golf-Kooperationsrat zusammenwirkenden Staaten haben nach ägyptischer Darstellung beschlossen, Ägypten Schulden in Höhe von sieben Milliarden Dollar zu erlassen. Dem Rat gehören Saudi- Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Oman, Bahrein, Katar und Kuwait an, dessen Exilregierung sich in Saudi-Arabien niedergelassen hat.
Nach einem Bericht der kuwaitischen Botschaft in Syrien wurden beim irakischen Überfall auf Kuwait sind 4.200 Kuwaiter getötet und rund 12.000 Militärs des Landes gefangen genommen. Auch Zivilisten, beispielsweise der kuwaitische Botschafter in Bagdad, würden im Irak gefangen gehalten, hieß es in der Mitteilung. Die kuwaitische Armee verfügte vor der Invasion vom 2. August etwa über 20.000 Mann.
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