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Heilen statt Strafen!

■ Gegen Kindesmißhandlung im SPD-Wahlkampf

Ein Fall für den Kinderschutzbund: Namenloses, mit goldenen Ohrringen aufgeputztes kleines Mädchen muß halbnackt vor Kamera posieren. Am Kopf ist es verletzt und trägt deshalb einen Verband. Von Kopfverletzungen (Gewalt durch Eltern oder Erziehungsberechtigte oder Unfall nach Vernachlässigung der Aufsichtspflicht?) mit Gehirnschadensfolge rühren möglicherweise auch die Inkontinenzprobleme her, die sich im Tragen von Windeln manifestieren. Das offenbar zwischen drei und vier Jahre alte und keineswegs jüngere Mädchen (fehlender Babyspeck, fehlende Kulleraugen, fehlende Babystirn, dafür bereits lange gerade Beine) ist nicht nur Bettnässerin, sondern kann auch — wahrscheinlich aufgrund tiefsitzender Ängste — tagsüber seinen Schließmuskel noch nicht ausreichend unter Kontrolle halten, weshalb Windeln selbst noch auf Fototerminen getragen werden. Oder sollte gerade die damit verbundene Erinnerung an die anale Phase oder gar an das Exkrementelle schlechthin zum schändlichen Lustgewinn des erwachsenen Fotografen inszeniert sein? Aber wie auch immer: Ob das Kind nun tatsächlich noch in diesem Alter gewickelt werden muß oder ob es »nur« Teil einer perversen und pädophilen Inszenierung geworden ist — schon jetzt dürfte es unter schweren psychischen Schäden leiden.

Diese können indessen noch einem anderen Umstand geschuldet sein: Schon viel zu früh wird das Schutzbefohlene von ruchlosen Erziehungsberechtigten gezwungen, viel zu schwere Gewichte zu heben. Müßig zu sagen, daß hier bewußt bleibende körperliche Schäden in Kauf genommen werden (Wirbelsäulenschaden, Affenarme, Leistenbruch, Gelenkschäden) — ob hier bereits eine zumindest folterähnliche Situation beim (psychischen oder physischen?) Zwang zu völlig unkindgemäßem Verhalten vorliegt, sei hier noch dahingestellt. Fest steht allerdings, daß das — zu allem Überfluß auch noch gezwungen lächeln müssende — Kind schutzlos einem Leistungsdruck ausgeliefert wird, gegen den sich zur Wehr zu setzen es keinerlei Möglichkeiten hat. Unbeantwortet bleiben soll vorerst auch, ob mit den Verbänden am rechten und am linken Handgelenk Abschürfungen verdeckt werden sollen, die womöglich daher rühren, daß das hilflose Mädchen beispielsweise ans Bett gefesselt worden war.

Abschließend läßt sich feststellen: Umfassende Therapiemaßnahmen für mißbrauchtes Kind und Außübende der elterlichen Gewalt (hier: »Sozialdemokraten«) sind aufgrund der hier erhobenen Anamnese dringend angezeigt. Gerade auch für die Erwachsenen gilt hier wie immer: Heilen statt Strafen! Denn solche Taten an Kindern sind immer auch Ausdruck einer tiefen Verzweiflung und der Ausweglosigkeit einer familiären Situation. Alice Miller

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