piwik no script img

Zuspiel aus der Vergangenheit

■ SC Berlin gewinnt Frauen-Volleyball-Supercup gegen Lohhof und das Finale gegen Feuerbach

Lichtenberg. Abschied, so definiert es das deutsche Liedgut, ist ein scharfes Schwert. So trennte der Weggang von sieben Spielerinnen den 19fachen DDR-Meister 1. SC Berlin mit einem Schlag von der internationalen Volleyball-Spitze. Auch Erfolgstrainer Siegfried Köhler ging, kam jedoch mit zwei Spielerinnen am Samstag wieder an die Spree zurück. Allerdings in der Spielkleidung von Bayern Lohhof, dem neuen Arbeitgeber und ersten Gegner des 1.SC um den Volleyball-Supercup.

Für die Berlinerinnen verbog sich das Netz in der Lichtenberger Anton- Saefkow-Sporthalle zu einem einzigen Fragezeichen. Wie schon die Auswahl der personell ausgebluteten Volleyball-DDR bei den letzten Welttitelkämpfen, mußte auch der 1.SC Zuspiele aus der Vergangenheit in Anspruch nehmen: Die lange verletzte Susanne Lahme kehrte ebenso in den Kader zurück wie Maike Arlt, die sich gerade von einer Entbindung erholt hat. Ihre designierten Nachfolgerinnen, Christine Groth und Katja Krieger, verfolgten die Comback-Versuche auf seiten Lohhofs.

Was kaum jemand der 400 Zuschauer erwartet hatte, trat tatsächlich ein. Der 1.SC führte sehr schnell mit 8:4, weil die Bayerinnen am Netz immer wieder geschickt abgeblockt wurden. Lohhof wirkte, trotz (oder wegen?) der Neuen in der Frauschaft, noch nicht eingespielt. Geschickt nutzte Susanne Lahme jede sich bietende Schmetterchance, die ihr von der linkshändigen Zuspielerin Ute Kellner serviert wurde. Auch Mama Alt näherte sich nach anfänglichen Integrationsängsten dem beachtlichen Niveau ihrer weiß-roten Mitspielerinnen. Nach nur 20 Minuten hatten die Berlinerinnen den ersten Satz mit 15:9 für sich entschieden. Trainer Köhler warf neidische Blicke auf die SC-Trainerbank seines Schülers Volker Spiegel.

Die Hypnose schien zu wirken. Plötzlich erlahmte der Berliner Angriffswirbel, und die Süddeutschen setzten Punkt um Punkt ins Feld der Einheimischen. Als Punktelieferant erwies sich Heike Weber, die Zuspielerin in Lila, die mit immer neuer Finesse den Ball auf Schmetterhöhe hob. Auch sie spielte einst bis 1983 beim 1.SC Berlin, durfte dann aber zurücktreten, weil sie ihr Erfolgssoll auf internationalen Meisterschaften erfüllt hatte. Nach 37 Minuten marathonöser Anstrengungen am Netz gewann Lohhof letztlich den zweiten Satz mit 17:16.

Aber die Wende blieb aus. Berlin besann sich wieder seines quicklebendigen Angriffsspiels, das mehr und mehr von der reaktivierten Susanne Lahme zu einem guten Ende gebracht wurde. Die entscheidenden Passagen der Lohhofer Offensive endeten häufiger denn je in den blockbereiten Armen der Silke Jäger und Ute Kellner.

Maike Arlt forderte das Publikum immer wieder zu Beifall heraus, indem sie die schier unerreichbarsten Bälle ins Spielfeld zurückhechtete. 2:1 nach Sätzen stand es nach weiteren 21 Minuten für den 1. SC. Nun lief die Maschinerie des Dynamo- Nachfolgevereins auf vollen Touren. Selbst der Trainerassistent des 1.SC, der jede Aktion am Tonband kommentierte, um sie der Analyse preiszugeben, verhaspelte sich hocherfreut. 3:1 für Berlin hieß es am Ende, wo die Frauen aus Hohenschönhausen noch längst nicht angelangt sind. Jürgen Schulz

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen