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Weltklimakonferenz ohne Biß

500 WissenschaftlerInnen aus 100 Staaten tagen in Genf auf der zweiten Weltklimakonferenz Ob nach den einwöchigen Beratungen ein griffiger Maßnahmenkatalog verabschiedet wird, ist offen  ■ Aus Genf Andreas Zumach

Von der gestern in Genf eröffneten zweiten Weltklimakonferenz werden zwar Weichenstellungen für die künftige Politik zum Schutz der Erdatmosphäre erwartet. Doch schon am ersten Tag traten schwere Differenzen über die notwendigen Maßnahmen zur Reduzierung der Emission von Kohlendioxyd und anderen Treibhausgasen zutage. Die vorliegenden Dokumente und Entwürfe für eine Abschlußerklärung lassen einen Konsens in weite Ferne rücken. Bis einschließlich Samstag beraten in Genf zunächst über fünfhundert Wissenschaftler- und VertreterInnen von Umweltverbänden aus rund hundert Staaten über die Fortsetzung des 1979 begonnenen Weltklimaprogrammes.

Diese Beratungen stehen unter der Schirmherrschaft der Weltmeteorologie-Organisation, des UNO-Umweltprogramms und der UNESCO. Bei einem abschließenden Treffen von Regierungschefs und Ministern am Dienstag und Mittwoch nächster Woche, zu dem unter anderem die britische Premierministerin Margret Thatcher, der französische Ministerpräsident Rocard und der jordanische König Hussein erwartet werden, wollen die hundert Staaten Vorschläge zur Reduzierung klimaschädigender Treibhausgase machen. Diese Vorschläge sollen wiederum als Basis dienen für die am 4. Februar 1991 in Washington beginnenden formellen Verhandlungen über eine internationale Klimakonvention. Die Unterzeichnung dieser Konvention steht auf der Tagesordnung der Weltkonferenz „Umwelt und Entwicklung“ 1992 in Brasilia.

Grundlage für die Genfer Beratungen sind drei kürzlich fertiggestellte Berichte der „Zwischenstaatlichen Expertenrunde Klimawechsel“ (IPCC). Der Bericht „Klimaforschung“ der sämtlich von Regierungen benannten Wissenschaftler nennt als Voraussetzung für eine „Stabilisierung“ der einzelnen Spurengasmengen in der Atmosphäre auf dem derzeitigen Niveau die Reduzierung der Emission von Kohlendioxyd um 60 Prozent, von Fluorkohlenwasserstoffen um 80, von Methan um 20 sowie von Distickstoff um 70 bis 80 Prozent. Bei Fortsetzung der Emissionen im bisherigen Umfang rechnen die Experten mit einem Anstieg der Temperatur um drei Grad Celsius im weltweiten Durchschnitt sowie der Meeresspiegel um 65 Zentimeter.

Meinungsunterschiede unter den IPCC-Experten macht ihr Bericht über die „Auswirkungen der Klimaveränderungen“ deutlich. Die Wissenschaftler einiger Staaten — darunter der UdSSR — wollen nicht ausschließen, daß der Treibhauseffekt auch positive Folgen haben könnte. Übereinstimmend wird allerdings festgestellt, daß für regionale Ökosysteme (zum Beispiel Wälder in nördlichen Breiten) bereits kleine Klimaveränderungen zu großen Anpassungsschwierigkeiten führen können.

Die stärksten Differenzen enthält der IPCC-Bericht zu „Politischen Handlungsempfehlungen“. Sie entsprechen weitgehend den Positionen der Regierungen, die die Wissenschaftler entsandt hatten. Die EG- Mitgliedsstaaten — Großbritannien etwas abgeschwächt —, die EFTA- Länder Schweiz, Schweden, Österreich sowie Neuseeland und einige kleinere Dritte-Welt-Staaten wollen eine Klimakonvention mit Biß. Sie fordern eine Vereinbarung mit verbindlichen Reduzierungszielen und einem konkreten Zeitrahmen. Zu den wichtigsten Bremsern gehören neben den USA die UdSSR, China, Japan, Brasilien, Indien und Saudi- Arabien. Sie sind nur zu weniger weitreichenden und verbindlichen Festlegungen bereit und verlangen weitere Forschungen, bevor politische Entscheidungen getroffen werden. Zur dieser Position erklärte der Präsident des „Internationalen Rates der Wissenschaftler-Verbände“, Professor Menon: „Der Treibhauseffekt ist wissenschaftlich erwiesen. Wir kennen die einzelnen Treibhausgase und ihren jeweiligen Anteil an dem Problem — heute und in der Vergangenheit. Wir wissen, daß der Treibhauseffekt zu höheren Temperaturen führt und können hochrechnen, wo wir unter Annahme verschiedener Szenarien im Jahre 2000 angelangt sein werden.“

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