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Das Bußgeld ist nur ein Butterbrot

■ Starke Zunahme und neue Formen illegaler Leiharbeit/ Trotz Gerüchten: Ex-DDR-Firmen kaum dabei

Frankfurt (ap) — Angesichts einer deutlichen Zunahme illegaler Beschäftigung tritt die Arbeitsverwaltung für eine drastische Erhöhung der Bußgelder ein. Der Präsident des hessischen Landesarbeitsamts, Dietrich Oldenburg, teilte am Dienstag in Frankfurt mit, allein in Hessen seien in den ersten neun Monaten so viel Ermittlungsverfahren eingeleitet worden wie im gesamten vergangenen Jahr. Das Bußgeld von maximal 50.000 Mark sei „für viele Firmen ein Butterbrot“, bemängelte Oldenburg.

Wegen illegaler Beschäftigung von Arbeitnehmern in Hessen gehen nach seinen Angaben jährlich 30 bis 35 Millionen Mark an Steuern und Sozialbeiträgen verloren. Hinzu kommen noch die Schäden infolge von Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten ehrlich arbeitender Unternehmen. In den letzten Jahren habe sich die Problematik „dramatisiert und verstärkt“, sagte Oldenburg.

„Zunehmend Sorge“ mache den Arbeitsämtern dabei die wachsende Tendenz, „Gesetze mit Scheinlegalitäten zu umgehen“. So werden Arbeitskräfte illegal und kostengünstig an Unternehmen verliehen, indem sie unzulässigerweise im Rahmen eines Werkvertrages eingesetzt werden, ohne daß — wie erforderlich — ein klar abgegrenzter Arbeitsauftrag vorliegt. Meist lägen dabei formalrechtlich korrekte Werkverträge vor, deren Illegalität erst bei näherer Prüfung offenbar werde.

Besonders Firmen aus den ehemaligen Ostblockländern seien hier aktiv, berichtete der Arbeitsamtspräsident. Konkrete Fälle unerlaubten Arbeitnehmerverleihs aus der ehemaligen DDR seien dagegen „trotz immer wieder aufgestellter globaler Behauptungen bisher nur vereinzelt bekannt geworden“.

Als „bedrückend“ bezeichnete Oldenburg die „Gelassenheit“, mit der auch namhafte und seriöse Firmen das Aufdecken illegaler Beschäftigungsverhältnisse zur Kenntnis nähmen. Angesichts eines knappen Angebots an Arbeitskräften beispielsweise in der Bauwirtschaft verringere sich „selbst bei sonst seriösen Firmen“ die Schwellenangst vor illegalen Praktiken.

Offensichtlich sei es „immer noch eine lukrative Sache, die Gesetze zu umgehen“, stellte Oldenburg fest. Manche Firmen seien „regelmäßig dabei“, was die Forderung nach einem „Erschwerniszuschlag im Wiederholungsfalle“ nahelege. Nur wenn künftig ein echtes Verlustgeschäft drohe, könne die Strafe abschreckend wirken: „Je höher das Bußgeld, desto besser.“ Insgesamt wurden bei den 1.800 in diesem Jahr abgeschlossenen hessischen Verfahren wegen illegaler Beschäftigung Buß- und Verwarngelder von rund 1,4 Millionen Mark verhängt.

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