STANDBILD: Zweite Wahl in der ersten Reihe
■ "Second Hand", von Peter Stripp, Mi., 20.15 Uhr ARD
Ich habe den ganzen Tag an der Maschine gesessen und Klischees produziert“, sagt Tim, einer der Protagonisten des Films. Und das hat auch der bei anderen Gelegenheiten mehrfach preisgekrönte Drehbuchautor Peter Stripp getan. Als Regisseur hat er noch einige Tage zugeguckt, wie seine SchauspielerInnen orientierungslos und hölzern durch die Staffage staksen, sei die nun seidene Bettwäsche oder der unvermeidliche Jeep im Großstadtdschungel.
Dann hat er wohl gemerkt, daß er auf dem falschen Dampfer ist, hat seinen Film „Aus zweiter Hand“ genannt und ihn an die ARD verkauft, wo wir bekanntlich in der ersten Reihe sitzen und uns offensichtlich zu Tode amüsieren sollen.
Um nicht noch unhöflicher zu werden, sollten wir hier eigentlich abbrechen. Aber wie die LeserIn unschwer erkennen kann, wären dann noch zwei Spalten frei. Und auch die taz, ebenso wie die ARD, zeigt bedauerlicherweise immer weniger Mut zur Lücke.
Tim will nicht, daß seine Freundin Petra ein Kind von ihm kriegt, weil er sich noch nicht „reif“ dazu fühlt. Während sie sich zum Zwecke des Schwangerwerdens mit Werner (der aber sterilisiert ist, was sie erst hinterher erfährt) zusammentut, landet Tim im Bett der noch jugendlichen Katja und macht prompt der ein Kind. Und weil Männer wie bekannt Problemen nicht gewachsen sind, tun sich in der Folge der Einfachheit halber Tim und Werner zusammen, während die Frauen ... so schön so gut. Der Pressedienst der ARD will uns weismachen, diese „Alltagsgeschichte“ sei eine Komödie. Gähn.
Eine einzige Szene war, wenn nicht lustig, so doch bemerkenswert, und die war wohl aus dem „echten“ Leben. Eine orientalische Bauchtänzerin mit Speck auf den Rippen führte mit einer sekundenlangen Hüftbewegung vor, was Leben ist. Das hat natürlich auch Stripp gemerkt, sonst hätte er diese Szene nicht reingeschnitten. Und irgendwas, so hoffe ich, wollte er uns damit sagen. Mir hat er leider damit nur gesagt, daß ein Film besser ausgepolstert sein muß, um die Aufmerksamkeit zu fesseln. Stripp sollte bei den Low-Budget-Filmen von Lambert/Beiersdorf nochmal nachgucken, wie man moderne Komödien macht.
Allerdings, manchmal überholt die Wirklichkeit im Fernsehen die mühsam konstruierten „Alltagsgeschichten“. Keine 10 Minuten später grinst uns aus dem anschließenden Brennpunkt zum Thema Verkehr ein Psychoanalytiker namens Thomas P. an, der genau so aussah wie der Klischees produzierende Tim. In ein Mikro von Form und Größe eines Nashornphallus sprach er, daß die rasante Bewegung des Autofahrens gegen depressive Gefühle gerichtet sei. Und das genieße er sehr. Woraufhin wir dann doch noch herzlich lachen konnten über die Tragödien im Ersten. Sigrid Bellack
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