: Sudan schickt Flüchtlinge in die Wüste
■ Dürreflüchtlinge in den Slums von Khartum werden deportiert/ Millionen stehen vor dem Hungertod
Khartum/Berlin (ap/taz) — Die sudanesische Polizei hat bis Mittwoch einen von Flüchtlingen bewohnten Slum vor den Toren der Hauptstadt Khartum geräumt. Wie Augenzeugen berichteten, wurden 14.000 Menschen in ein Lager vierzig Kilometer südlich der Hauptstadt gebracht. Ihre Hütten seien abgebrannt worden, um eine Rückkehr zu verhindern. Im neuen Lager bei Dschabal Aulia gibt es nach den Berichten noch nicht einmal Wasser.
Die Räumung ist Teil einer großangelegten Aktion, Flüchtlinge aus den Städten in Wüstencamps zu verfrachten. Rund zwei Millionen Flüchtlinge leben in Slumsiedlungen rund um Khartum. Die meisten von ihnen sind in den letzten fünf Jahren vor der Dürre im Westen und dem Bürgerkrieg im Süden geflohen. Außerdem haben über 100.000 Menschen aus Uganda, Zaire und Äthiopien die sudanesische Hauptstadt aufgesucht. Bereits im letzten Jahr wurde die Räumung der Slums beschlossen und ein Registrierungsprogramm eingeleitet.
Die Militärregierung macht die unerwünschten Slumbewohner für zunehmende Kriminalität verantwortlich und erklärt, so viele Menschen könnten in Khartum nicht versorgt werden. Trotzdem kommen weiterhin täglich Tausende von Sudanesen in der Hauptstadt an, besonders aus den dürrebetroffenen Provinzen Darfur und Kordofan. Der Regen ist dieses Jahr ausgeblieben, und nach Meinung des UN-Flüchtlingskommissariats, internationaler Hilfsorganisationen und der US-Regierung steht der Sudan vor einer schweren Hungersnot.
Bei einer Anhörung vor dem US- Repräsentantenhaus in der vergangenen Woche wurde die Zahl der in diesem und dem nächsten Jahr vom Hungertod bedrohten Sudanesen auf zwischen fünf und elf Millionen geschätzt. Der Sprecher des US-Außenministeriums, Richard Boucher, prophezeite ein Lebensmitteldefizit von einer Million Tonnen für 1991 und forderte die „volle Kooperation“ der sudanesischen Regierung, um ein Hilfsprogramm zu organisieren. „Wir haben die Regierung darum gebeten, aber bisher nicht diese volle Kooperation erhalten.“
Da sich die Regierung des Sudans im Golfkonflikt auf die Seite des Irak geschlagen hat, bleibt die bisherige ägyptische und saudische Finanzhilfe aus. Für den Nahrungsmittelimport steht somit kaum noch Geld zur Verfügung. Eine allgemeine Lebensmittelknappheit wird von der Regierung jedoch bestritten. Staatschef Omar Hassan El-Bashir erklärte am Sonntag: „Der Sudan leidet keineswegs unter einer Hungersnot.“ Bisher hat die Regierung Sudans um 75.000 Tonnen Hilfsgüter gebeten und nach Angaben des UNO-Nahrungsmittelprogramms 19.000 Tonnen erhalten. Einen endgültigen Bericht über die im Sudan voraussichtlich benötigte Lebensmittelhilfe soll die FAO diesen Monat vorlegen.
Diese Woche gab Juntamitglied Oberst Salah al-Din Karar bekannt, daß ab sofort keine Lebensmittelhilfe mehr ins Land gelassen würde — selbst dann, „wenn im Sudan eine Hungersnot erklärt wird“. Die internationalen Hilfsorganisationen seien für eine „Lebensmittellücke“ mitverantwortlich, da sie große Mengen der einheimischen Hirseernte aufgekauft und an hungernde Flüchtlinge verteilt hätten. Dadurch sei der Hirsepreis so in die Höhe getrieben worden, daß die Sudanesen ihn nicht mehr bezahlen könnten. D.J.
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