: Das Kriegsgeschrei wird immer lauter
■ Wenn Irak die Versorgung der US-Botschaft in Kuwait verhindert, könnte das der Kriegsauslöser sein/ Britischer Luftwaffenstabschef rechnet mit militärischem Eingreifen
Washington/Bagdad/Genf (dpa/ afp/adn/taz) — Nach einem Bericht der ‘Washington Post‘ erwägt die US-Regierung derzeit Varianten, wie die amerikanische Botschaft in Kuwait mit Lebensmitteln versorgt werden soll. Wenn der Irak dies verhindere oder sogar ein Versorgungsschiff beschießen sollte, könnte dies ein Kriegsgrund sein, meldete das Blatt am Donnerstag unter Berufung auf Washingtoner Regierungskreise. Es könnte versucht werden, so die Zeitung, ein unbewaffnetes Schiff mit Vorräten für die amerikanische wie für die britische Botschaft in den Hafen von Kuwait zu schicken, um dann die nicht weit entfernten Missionen zu beliefern. Die Entscheidung über solche Ideen liege bei Präsident Bush.
Auch eine Evakuierung der 27 Personen in der amerikanischen Mission werde nicht ausgeschlossen, hieß es in dem Bericht weiter. US-Außenminister Baker verwies in einem Fernsehinterview in der Nacht zum Donnerstag auf die jüngste UN- Resolution, in der Bagdad aufgefordert wurde, die Versorgung der Botschaften zu erlauben. „Uns genügt es im Moment abzuwarten, ob die UN- Resolution ausgeführt wird oder nicht“, sagte er. „Wir hoffen sehr, daß sie verwirklicht wird.“
Nach einem Bericht der 'Washington Times‘ bereite der Irak im Falle einer Landeoperation an der kuwaitischen Küste die Sprengung mehrerer Tanker vor. Das auslaufende Öl solle in Brand gesetzt werden, um die Landung von Truppen im Süden Iraks zu verhindern. Aus Geheimdienstquellen will das Blatt erfahren haben, daß der Irak bereits ein Zehntel einer Hunderte Kilometer langen Panzersperre mit brennbarem Material ausgestattet habe.
Der Stabschef der britischen Luftwaffe, Marshall Harding, hält eine militärische Aktion im Golfkonflikt für „sehr wahrscheinlich“. Er erwarte die Entscheidung darüber in den nächsten Wochen. Der irakische Informationsminister Jassim hatte bereits am Mittwoch davon gesprochen, daß ein Golfkrieg in jedem Moment ausbrechen könnte. Zwar wolle Irak den Krieg nicht beginnen, aber Armee und Freiwilligenverbände von etwa einer Million Mann seien in höchste Alarmbereitschaft versetzt worden.
Frankreichs Staatspräsident Mitterrand hatte bei einer Begegnung mit dem israelischen Außenminister am Mittwoch abend in Paris angekündigt, daß um den 6. November die Entscheidung fallen würde, ob es im Nahen Osten zum Krieg kommt. Mitterrand bezog sich auf den Termin der Wahlen in den USA.
Der irakische Außenminister hat unterdessen die Botschaften des Landes angewiesen, mit der Ausgabe von Visa für Angehörige der im Irak festgehaltenen Geiseln zu beginnen. Der irakische Plan, Verwandte der „Gäste“ zu Weihnachten und Neujahr nach Bagdad einzuladen, war bereits am Mittwoch bekannt geworden. Das britische Außenministerium hat diese Aktion als „zynisch“ verurteilt und die Betroffenen aufgefordert, das Angebot abzulehnen.
Die irakischen Besatzungstruppen haben nach Zeugenaussagen Hunderte Gastarbeiter aus Bangladesch, Pakistan und Sri Lanka in Kuwait verhungern lassen. Ein nach Saudi-Arabien geflohener Kuwaiter berichtete, in seinem Unternehmen seien Hunderte Asiaten von Irakern in Schuppen eingesperrt worden und verhungert. Kuwaiter würden jetzt vor Verlassen des Landes gezwungen, ihr Eigentum dem irakischen Staat zu überschreiben.
Der Irak hat sich nach den Worten des sowjetischen Sonderbotschafters Primakow bereiterklärt, 2.500 Sowjetbürger bis Ende November ausreisen lassen. Primakow sagte am Mittwoch abend der Nachrichtenagentur 'Tass‘ zufolge, 34 Militärberater sollten noch am Donnerstag in die UdSSR zurückkehren.
Auf dem Genfer Flughafen Cointrin landete gestern nachmittag eine Frachtmaschine der irakischen Luftfahrtgesellschaft und nahm 15 Tonnen Medikamente im Wert von einer halben Million Schweizer Franken auf. Seit Tagen anhaltende Spekulationen, wonach das Flugzeug die 83 in Bagdad festgehaltenen Schweizer Geiseln zurückbringen werde, erfüllten sich nicht. Die Schweizer Bundesregierung hat bislang entschieden dementiert, mit dem Irak über Gegenleistungen für die Medikamentenlieferungen verhandelt zu haben. Die Medikamente würden vom Irak bezahlt.
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