: Golfkrise: Abziehen statt zuschlagen
■ Die SPD-Abgeordneten Scheer und Wieczorek-Zeul plädieren für eine Lösung auf dem Verhandlungsweg INTERVIEW
Während die Bundesregierung gestern alle Drähte zog, um den SPD- Ehrenvorsitzenden Brandt nicht ohne Vertreter von CDU und FDP nach Bagdad reisen zu lassen, machte Lafontaine daraus Wahlkampfmunition und warf Kohl vor, er wolle nur auf den fahrenden Zug aufspringen. Gleichzeitig sind die SPD- Bundestagsabgeordneten Hermann Scheer und Heidi Wieczorek-Zeul aus der bislang relativ unumstrittenen SPD-Position zur Golfkrise ausgeschert. Sie fordern, daß eine militärische Lösung der Krise unter allen Umständen ausgeschlossen wird. Wir fragten Hermann Scheer:
taz: Widerspricht ihre Position nicht dem westlichen Konsens, eine militärische Option müsse als Ultima Ratio offengehalten werden?
Scheer: Wenn wir die militärische Option ausschließen, dann widerspricht dies allen, die mit einer solchen Option spielen.
Meinen sie damit die amerikanische Regierung?
Man muß doch sehen: Die amerikanische Regierung bringt sich durch ihren riesigen Truppenaufmarsch am Golf selbst in Zugzwang. Ein solcher Aufmarsch ist nicht lange durchzuhalten, ohne daß etwas passiert. Die Soldaten werden nervös. Der Aufmarsch kostet jeden Tag unglaublich viel Geld, da bleiben nur zwei Möglichkeiten: zurückziehen oder zuschlagen.
Gibt es für die Amerikaner jetzt überhaupt noch eine Möglichkeit aus diesem Zugzwang herauszukommen?
Ja. Dem UN-Generalsekretär müßte sofort das Mandat gegeben werden, mit der irakischen Regierung zu verhandeln. Alle Truppen, die nicht den Vereinten Nationen unterstellt sind, könnten dann ohne Gesichtsverlust abziehen. Die Gefahr einer militärischen Eigendynamik wäre gebannt.
Schließen sie eine militärische Option auch für den Fall aus, daß das Embargo gegenüber dem Irak scheitern sollte?
Das Embargo kann nicht scheitern. Wenn die Weltgemeinschaft ein Embargo gegen einen 17-Millionen-Staat beschließt, dann muß das funktionieren, sonst können wir alle einen Revolver zur Hand nehmen. Außerdem: Was ist das denn für eine Logik, zu sagen: Wenn freundlicher Druck nichts bringt, dann gehen wir militärisch vor. Wenn wir während des Kalten Krieges so gehandelt hätten, hätten wir längst den dritten Weltkrieg gehabt.
Was sagt denn ihr Vorsitzender zu dieser Meinung?
Die SPD ist keine Kadettenanstalt. Nicht jede Erklärung muß mit der Ansicht des Vorsitzenden deckungsgleich sein.
Interview: Tina Stadlmayer
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen