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Fußball ist etwas anderes

■ In Italien hängt nach dem 0:0 in der EM-Qualifikation gegen die UdSSR der Haussegen schief

Rom (dpa) — Im Team der „Azzurri“ gibt es Stunk: „Nein Vicini, so geht das nicht!“, mahnten die italienischen Zeitungen nach dem mageren 0:0 der Nationalmannschaft im Qualifikationsspiel zur Fußball-EM 1992 gegen die UdSSR.

60.000 ZuschauerInnen im Olympiastadion von Rom feuerten ihre Lieblinge zunächst leidenschaftlich an. Doch spätestens ab der 70. Minute, als Teamchef Azeglio Vicini den glücklosen Publikumsliebling „Toto“ Schillaci durch Aldo Serena ersetzte, tobten die Tifosi.

Der Trainer wehrt sich: „Ich glaube nicht, daß ich das verdient habe. Es hat alles geklappt, wir haben dominiert, nur das Resultat stimmt nicht.“ Das nach zahlreichen Ausfällen völlig umgekrempelte italienische Team verriet jedoch wenig Durchschlagskraft und ebensowenig Ideen. Selbst das „Traumpaar“ Baggio/Schillaci ging erstmals im Nationaltrikot leer aus. Die Statistiker registrierten in der 25. Minute ein aberkanntes Freistoßtor von Baggio und insgesamt zwei gefährliche Toraktionen der Russen — der Rest blieb im knöcheltiefen Boden des Stadions hängen, der anschließend als Entschuldigung herhalten mußte.

Die Presse schimpft lautstark: „Azzurri enttäuschend, Europa rückt in die Ferne“, war der Tenor am Tag danach. Daß die Pfiffe ihre Spuren hinterließen, beweist der Abgang von Verbandspräsident Antonio Matarrese, der es zum erstenmal versäumte, Team und Teamchef in den Umkleidekabinen zu verabschieden.

Champagner und Wodka flossen dagegen bei den Sowjets. Anatoli Byshowetz, 44jähriger Nachfolger des legendären Valeri Lobanowsky als UdSSR-Trainer, feierte: „Ich bin zufrieden, es ist sehr gut gelaufen für uns. Die Italiener haben mir nicht gefallen. Vicini hat offensichtlich Probleme.“ Noch kritischer äußerte sich Mittelfeldspieler Alexej Michailitschenko: „Die Italiener sind große Spieler, aber sie haben keine Phantasie. Fußball ist etwas anderes.“

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