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China

■ betr.: "Sanktionen aufgeben", taz vom 31.10.90

betr.: „Sanktionen aufgehoben“, taz vom 31.10.90

Im Juni des vergangenen Jahres begann die chinesische Regierung den Aufstand von vielen Tausend chinesischen BürgerInnen mit Mitteln einzudämmen, wie sie sonst nur in absolut totalitären Staaten zu finden sind. [...] Auch heute, mehr als ein Jahr nach dem Massaker der chinesischen Regierung an der eigenen Bevölkerung, sitzen Menschen in den Todeszellen chinesischer Gefängnisse, wird nach wie vor gefoltert und hingerichtet.

Die Reaktion der Weltöffentlichkeit, aber auch die der Parteien und Menschenrechtsgruppen darauf ist ebenso zurückhaltend, wie schon der fast gänzlich ausgebliebene Protest gegen das Massaker des vergangenen Jahres.

Zwar gab es einige empörte Stimmen und es gab wirtschaftliche Sanktionen gegen China, doch insgesamt gesehen wurde nach dem Motto verfahren: „So schnell wie möglich wieder zur Tagesordnung übergehen!“ — in China ebenso wie in anderen Ländern der Erde.

Da verwundert es eigentlich nicht einmal mehr, wenn jetzt der Bundestag beschlossen hat, jene Sanktionen wieder aufzuheben. Bereits zuvor gab es ja einzelne Versuche bundesdeutscher Politiker, aus ganz bestimmten Interessen heraus, die verhängten Sanktionen zu unterlaufen, wie es jüngst der rheinland-pfälzische Ministerpräsident mit seinem China-Besuch zeigte.

So ist dies doch auch lediglich eine Fortführung der Umgehensweise westlicher Staaten mit totalitären Staaten — der schnelle Weg der verbalen Kritik hin zu materiellen Akzeptanz.

Eben dieses Verhalten ermöglicht dann ja auch in anderen Bereichen den moralischen Anspruch wegen materieller Interessen auszuhebeln. Nur so ist es Staaten wie der Bundesrepublik möglich, trotz eines Kriegswaffenkontrollgesetzes und eines Atomwaffensperrvertrages, eben jene Rüstungsgüter, deren Lieferung eigentlich beschränkt beziehungsweise untersagt ist, rund um den Globus zu exportieren, um der eigenen Außenhandelsbilanz schwarze Zahlen zu sichern. Und dabei ist das Beispiel der Waffenexporte nur eines von vielen.

Warum aber werden dann die eigentlichen Gründe, die dazu führen, daß Gesetze und Bestimmungen ignoriert werden, oder aber wie das Beispiel China zeigt, wenn verhängte Sanktionen wieder aufgehoben werden (obwohl sich die Sanktionsgründe nicht geändert haben), nicht beim Namen genannt? Da wird dann die Bundesregierung aufgefordert, künftig die entwicklungspolitische Zusammenarbeit mit China auf neue Maßnahmen auszudehnen, soweit bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Diese bestimmten Voraussetzungen sind natürlich derart schwammig und nichtssagend und können über kurz oder lang nur zu einer Aufhebung aller Im- und Exportbeschränkungen führen.

Genau dies sollte dann von vornherein auch klar benannt werden, anstatt einen moralischen Anspruch vorzutäuschen, der einfach nicht vorhanden ist.

Und eigentlich könnten totalitäre Staaten doch gleich eine offizielle Einladung bekommen, ihren antidemokratischen Kurs ganz getrost weiterzufahren, denn früher oder später (eher früher als später!) werden sich auch die letzten Sanktionen in Luft aufgeölst haben, als hätte es sie nie gegeben... Hermann Theisen, Bad Münster am Stein-Ebernburg

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