: Kohls Umzug für sieben Milliarden?
■ Senat legt Studie zur Verlagerung von Regierungsfunktionen vor/ Bestandsaufnahme von Flächen und Gebäuden sieht Berlin »hervorragend« geeignet/ Pro Jahr kostet der Umzug eine Milliarde
Berlin. Berlin ist bestens geeignet, die mögliche Verlagerung der Regierungsfunktionen zu verkraften — zumindest wenn man einem Bericht Glauben schenkt, den der »Arbeitsstab Hauptstadtgestaltung Berlin« der Berliner Landesregierung gestern vorgelegt hat. Unter Federführung von Umweltsenatorin Schreyer und ihrem östlichen Fachkollegen Clemens Thurmann wurde von der Arbeitsgruppe eine Bestandsaufnahme der zur Vefügung stehenden Flächen und Gebäude erarbeitet und wurden die Kosten des Umzugs der Regierung von Bonn nach Berlin berechnet. Fazit des Berichts: »Berlin verfügt über hervorragende Standortbedingungen und Entwicklungsmöglichkeiten für die Ansiedlung von Parlaments- und Regierungsfunktionen.« Aber, so wurde gestern betont, das Ganze sei nur ein Vorschlag Berlins, entscheiden müsse der gesamtdeutsche Souverän.
Der Arbeitsstab, in dem neben Fachleuten aus den beiden Senats- bzw. Magistratsverwaltungen auch Vertreter der Bundesbaudirektion und der Oberfinanzdirektion Berlin mitarbeiten, untersuchte schwerpunktmäßig die Gebiete Spreebogen/Reichstag, Otto-Grotewohl-/ Leipziger Straße und Marx-Engels- Forum/Molkenmarkt. In dem Bericht, der der taz vorliegt, wird von einem Flächenbedarf in Bonn von etwa 870.000 Quadratmetern Nutzfläche ausgegangen, 230.000 Quadratmeter davon müßten erst neu gebaut werden. Nicht alle Regierungsfunktionen, so der Ausgangspunkt der Studie, müßten nach Berlin verlegt werden. Wenn die in Neubauten in Bad Godesberg angesiedelten Ministerien und das Verteidigungsministerium am Rhein blieben, müßten von der Gesamtnutzfläche etwa 570.000 Quadratmeter in Berlin zur Verfügung gestellt werden. Aufgrund der bisherigen Untersuchungen können in Ost-Berlin knapp 300.000 Quadratmeter nachgewiesen werden, in West-Berlin noch einmal rund 90.000, so daß ein Neubaubedarf von 190.000 Quadratmetern entstünde — also gut 40.000 weniger als in Bonn. Das Gebiet im Tiergarten eignet sich nach Ansicht der Verfasser »hervorragend für die Aufnahme von Bundestag und Bundesrat mit angeschlossenen Nutzungen wie Bundeskanzleramt und Ländervertretungen«. Flächen für notwendige Neubauten seien ausreichend vorhanden.
Als Schwerpunkt für Ministerien eignet sich besonders das ehemalige Haus der Ministerien der DDR in der Otto-Grotewohl- und Leipziger Straße. Um eine »monostrukturelle Vedichtung« zu vermeiden, soll der Komplex im Zuge der städtebaulichen Neuordnung in der gesamten Innenstadt mit anderen Nutzungen »durchmischt« werden, z.B. mit Cafés, Restaurants und Läden. Weitere Ministerien könnten im Bereich Marx-Engels-Forum Platz finden, wo ebenfalls DDR-Ministerien lagen. Rotes Rathaus sowie Altes und Neues Stadthaus am Molkenmarkt könnten langfristig für die Berliner Landesinstitutionen genutzt werden.
Die Kosten für den Umzug werden auf etwa sieben Milliarden Mark geschätzt. Bei einer Umzugsdauer von ungefähr sieben Jahren entstünden pro Jahr Kosten in Höhe von einer Milliarde Mark. Nach einer Schätzung der Senatsverwaltung für Bundesangelegenheiten sind in Bonn bei Parlament und Regierung derzeit etwa 25.000 Menschen beschäftigt. Wegen der Vereinigung wird geschätzt, daß die Zahl auf über 30.000 anwachsen wird; für Berlin geht man im Hause Pfarr von etwa 25.000 Arbeitsplätzen aus — 5.000 blieben dann für Bonn. kd
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