: Nur Arbeit und Rudern
■ Ingeburg Althoff und Steffi Werremeier wurden mit Riesenvorsprung Weltmeisterinnen im Zweier ohne PORTRAIT
Vor einem halben Jahr noch waren die Anfragen bei den Fotoagenturen ein glatter Schlag ins Wasser: Frauen-Zweier, Werremeier, Althoff, nie gehört. Bilder der Ruder-Damen gab es nicht. Dabei zischten die beiden bereits in der zweiten Saison im kanariengelben Polyesterboot in der weiblichen Weltspitze. 1989, im letzten WM-Jahr, ruderten sie in Bled, dem einstigen Sommersitz des seligen Josef Brosz Tito, auf Bronze. Und vor einem halben Jahr siegten Ingeburg Althoff (22) und Stefanie Werremeier (21) bei der internationalen Rotsee-Regatta in Luzern.
Damals gewann zum erstenmal in der jungen Geschichte des Frauenruderns — erst 1974 gelang der Einbruch in die Männerdomäne — ein BRD-Frauen-Boot auf dem Rotsee. Insider, vor allem aus dem die Ruderwelt bislang beherrschenden Osten, orakelten sogleich, die kommenden Weltmeisterinnnen gesehen zu haben. Seit drei Tagen sind sie es. Und plötzlich gibt es auch Fotos der beiden.
Ihre Vorstellung auf Australiens Lake Barrington war tatsächlich beeindruckend. Steffi A. und Inge W. ließen die Konkurrentinnen dermaßen hängen, daß die westdeutsche Betreuercrew vor fassungslosem Staunen beinahe das Jubilieren vergaß: dreizehn Sekunden, sprich sieben Bootslängen vor der USA, und gar siebzehn Sekunden vor der ehemaligen DDR rissen sich die beiden Frauen samt Boot über die Ziellinie. Ein geradezu historischer Riß, denn damit hatten erstmals in der Wettkampfgeschichte sämtlicher Frauen-Bootsklassen nicht die Ruderinnen aus der UdSSR, der DDR oder Rumänien den Bug vorne. Von Olympia 1984 abgesehen, aber das waren die Boykottspiele.
Die gemeinsame Geschichte der beiden Weltmeisterinnen begann vor drei Jahren bei einem Berglauf über St. Moritz. Beim Höhentraining vor den Olympischen Spielen in Seoul — Ingeborg Althoff war Schlagfrau im Achter, Steffi Werremeier Ersatzfrau und bereits Junioren-Vizeweltmeisterin im Einer — verabredeten sie das Sitzen in einem Boot. „Laß uns zusammen machen, im Zweier ohne Steuerfrau", allerdings mit einem Steuermann im Begleitboot. Trainer Wolfgang Schell nämlich sitzt mit Inge Althoff so ganz nebenbei in einer Beziehungskiste.
„Was nicht immer einfach ist“, wie er und der gemeinsame Anrufbeantworter zugibt: „Unter dieser Nummer können sie Inge und Wolfgang im Moment nicht erreichen.“ „Unser Alltag ist Arbeit und Rudern, daneben bleibt nichts“, zimmert Steffi Werremeier ein Bild beinharter Trainingsmaloche. Über vierzig Stunden in der Woche, die meiste Zeit davom im Boot, geradeaus rudern.
Inge Althoff nickt zustimmend, wenn ihre Co-Pilotin vom Verlust sozialer Beziehungen berichtet. Was bleibt, ist eine rudernde In- Group, Inge mit Wolfgang, Steffi mit Mark Mauerwerk. Natürlich ein Ruderer, Ex-Weltmeister. So freut sich frauman überwiegend auf den Dortmund-Ems-Kanal, dem Kontakthof-Übungsrevier.
Nebenbei ist die Medizinstudentin Werremeier beschäftigt, die Termine für Anatomie- und Präparierkurse trainingsfreundlich zu verlagern. Inge Althofff, Sozialpädagogin im Anerkennungsjahr, macht in der Woche vier Nachtschichten in einem Kinderheim. Eine Arbeitszeit, in der sie ab Mitternacht schlafen kann.
Der Preis für die international schlagkräftige Überlegenheit sei jedoch nicht zu hoch, meinen sie. Zwei Jahre lang wollen die beiden Frauen noch durchhalten, bis zu Olympia 1992 in Barcelona. Auch, wenn Frauen in der männerdominierten Nischensportart Rudern meist im hinterletzten Eck stehen. „Aber wir ziehen unsere Sache durch.“ Ernst Thoman
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