: Radikalen-Rabbi Kahane beigesetzt
Israels Rechtsextreme rufen nach Rache für den Mord an Kahane/ Israelische Behörden befürchten eine Terrorwelle gegen Palästinenserführer und Linksintellektuelle/ Polizeischutz für Journalisten ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin
Mit scharfen Sicherheitsvorkehrungen versuchen die israelischen Behörden, Unruhen während der Trauerfeierlichkeiten für den am Montag in New York ermordeten Chef der rechtsradikalen Kach-Partei, Rabbi Meir Kahane, vorzubeugen. Der Leichnam Kahanes war in der Nacht zum Mittwoch von New York nach Jerusalem überführt worden.
Im Jerusalemer Viertel Kivat Shaul sollten gestern um 15 Uhr (Ortszeit) die Trauerzeremonien für Kahane beginnen. Die Behörden rechneten mit bis zu 50.000 Teilnehmern. Eine Stunde vor der Beerdigung Kahanes auf dem Har-Ha-Menuhot-Friedhof glichen die orthodoxen Viertel der Stadt wahren Heerlagern. Mit massiver Polizeipräsenz versuchen die Sicherheitsbehörden, anti-arabische Ausschreitungen im Anschluß an die Beerdigung zu verhindern. Auch im israelisch besetzten Ostteil der „Heiligen Stadt“ wurde die Polizeipräsenz erhöht. Anhänger des rassistischen Politikers, der wegen seiner schon pathologischen Araberfeindlichkeit den Namen „Prediger des Hasses“ trug, haben wegen seiner Ermordung allen Palästinensern blutige Rache geschworen.
Doch trotz der explosiven Situation wird es — entgegen anderslautenden Berichten — nach Angaben des Jerusalemer Polizeikommandanten Bibi für exponierte palästinensische Persönlichkeiten keinen Personenschutz geben. Etliche arabische Persönlichkeiten, wie der Knesset-Abgeordnete Abdel Wahab Darhausche, haben Jerusalem bereits verlassen. Denn dort, so Darhausche, „ist es für arabische Politiker, die Verhandlungen zwischen Israel und der PLO propagieren, zu gefährlich geworden.“
In- und ausländischen Journalisten wurde von der Polizei angeraten, sich während des Begräbnisses „nicht zu verlaufen“, sondern einen geschlossenen Presseblock zu bilden, den die Polizei dann vor möglichen Übergriffen der medienfeindlichen Kahane-Jünger schützen will. Bereits am Vortag hatten Anhänger des ermordeten Rabbi Kahane Reporter attackiert, die sie für den Tod ihres Idols verantwortlich machten.
Offizielle Kach-Vertreter haben zwar beteuert, die Kach werde keine Racheaktionen organisieren. Aber kaum jemand zweifelt daran, daß Gewaltakte einzelner Kach-Anhänger oder kleinerer Gruppen unmittelbar bevorstehen. Auch die Polizeibehörden prognostizieren eine Eskalation des israelisch-palästinensischen Konfliktes aufgrund einer Welle von Vergeltungsschlägen einzelner rechtsradikaler Gruppierungen. In den besetzten Gebieten sind daher die Einheiten der israelischen Armee bereits verstärkt worden.
Auf einer Liste von Palästinenserführern, die nach Meinung kleinerer, mit der Kach unierter Rechtsorganisationen zu „liquidieren“ seien, finden sich beispielsweise die Namen von Feisal Husseini, Abu Ajasch und Sari Nusseiba. Geplant sind angeblich auch Entführungen von Arabern und Angriffe auf „linke“ israelische Journalisten. Ebenso muß nach Aussagen des ehemaligen Kach-Aktivisten Joel Lerner mit einer „Kette von Racheakten“ gerechnet werden. „Nach ein paar Wochen wird dann wieder Ruhe sein.“
Gefährlicher als es der lebende Kahane je war, dürfte jedoch heute schon der Märtyrer Kahane sein — Symbolfigur eines Kahaneismus, der heute schon populär und etabliert ist und dessen Basis weit über Kahanes Kohorten mit ihren gelben Hemden und dem Emblem der schwarzen Faust auf dem Hintergrund des Davidsterns hinausreicht.
Die US-Behörden ermittelten unterdessen, daß der Kahane-Mörder, der sich verletzt in Polizeigewahrsam befindet, 1955 in der ägyptischen Hafenstadt Port Said geboren wurde. Er lebt seit Anfang der achtziger Jahre in den USA. Die Polizei geht davon aus, daß er auf eigene Faust gehandelt hat.
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