KOMMENTAR: Es fehlt der Pfeiffer
■ Hessischer Abhörskandal wächst sich zur Bundesaffaire aus
Spätestens seit heute stellt sich die Frage, die statt des Datenschutzes wohl Kriminalisten klären müssen: Hat das verhängnisvolle Abhörprotokoll aus der Beker-Affaire den falschen Mann zuerst sein landespolitisches Amt gekostet? Ein vorstellbarer, ebenfalls illegaler, „Dienstweg“ wäre es gewesen, wenn das Papier seinen Gang vom Bundeskriminalamt via Staatskanzlei ins Innenministerium genommen hätte. Daß Alexander Gauland, Leiter der Staatskanzlei, es vor gut zwei Monaten zumindest schon kannte, ist erwiesen. Wie sonst hätte er in der Redaktion des 'stern‘ intervenieren können?
Die blindwütige Reaktion, mit der die CDU ausgerechnet erneut auf Journalisten eindrischt, statt für schleunige Aufklärung zu sorgen, läßt wieder einmal jedes Unrechtsbewußtsein vermissen. Außerdem macht sie niemanden klüger und die Union nicht glaubwürdig. Hingegen läßt die Entwicklung nun immer mehr jene Machenschaften hinter den Kulissen vermuten, die die Barschel-Affaire einst auslösten. Ob sie allerdings eine so schnelle Aufklärung erfahren, ist fraglich. Es fehlt der Pfeiffer.
Wer auch soll in diesem Fall objektiv ermitteln? Die Landespolizei gegen ihren eben noch in Amt und Würden agierenden und jetzt geschaßten Dienstherren Milde? Das Bundeskriminalamt, aus dessen Reihen das Abhörprotokoll möglicherweise stammt? Und was mag Innenminister Milde, einen Juristen und ehemaligen Staatsanwalt, geritten haben, sich nach anfänglichem Zögern derart vehement zu dem Verlesen des Protokolls zu bekennen? Er mußte doch wissen, daß dies gegen die Gesetze verstößt, die er selber zu schützen hat? Er wolle Schaden von „gegebenenfalls auch Mitarbeitern“ abwenden, sagte er in seiner Rücktrittserklärung. Von welchen? Von seinen? Von denen des Ministerpräsidenten? Und: War dies eine Protokoll ein Ausrutscher oder besteht der illegale „Dienstweg“ auch zwischen BKA und anderen Dienststellen und Ministerien außerhalb Hessens? Dies alles sind Fragen, die der Datenschutz alleine nicht mehr klären kann. SPD-Chef Hans-Jochen Vogel fordert eine Untersuchung über die informellen Informanten des BKA auf Bundesebene. Das tut bitter not. Heide Platen
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
