„Stolpe muß jetzt sein Schwert nehmen“

■ G. Nooke vom Bündnis 90 über den Durchmarsch der alten Beamtenriege in Brandenburg/ „Vertrauensbruch der SPD“ INTERVIEW

Die Beamten der Potsdamer Bezirksverwaltung konzentrieren derzeit ihren ganzen Fleiß auf die Neubeschriftung der Büroräume. Noch sind die zukünftigen Minister nicht befugt, Personalentscheidungen für den Aufbau ihrer Ämter zu treffen. Doch schon haben ehemalige Mitarbeiter und Leiter der alten Verwaltung vorsorglich ihre Namen unter dem Ministeriumsschild plaziert. In seiner letzten Amtshandlung hat Joachim Wolf (SPD), von de Maizière als Chef der Bezirksverwaltungsbehörden Potsdam, Frankfurt und Cottbus eingesetzt, die Übernahme seiner Untergebenen in Landeshoheit verfügt. Der Personalpool, aus dem die neuen Minister — Wolf selbst ist Verkehrsminister — schöpfen können, ist damit festgeklopft. Die Auswahl kompetenter Mitarbeiter wird vom Prinzip der warmgehaltenen Sessel überschattet. Wir sprachen mit Günther Nooke vom Bündnis 90.

taz: Was hat Wolf mit dieser vorschnellen Entscheidung bezweckt?

Günther Nooke: Das will die SPD-Fraktion im Gespräch mit ihm herausfinden. Natürlich gibt es, auch bei Stolpe, ein Interesse daran, daß im Land eine Rechtsaufsicht besteht, Politik kontrolliert und exekutiert wird. Doch nicht mehr durch die alten Bezirksverwaltungsbehörden, darin sind wir mit FDP und SPD einig. Unterschiedliche Vorstellungen bestehen über die Installierung neuer verwaltungstechnischer Strukturen. Dem Bündnis 90 geht es darum, daß sich hier nicht die nordrhein-westfälische Ministerialbürokratie, vertreten durch zahlreiche Berater, des Apparates bemächtigt und die alte Riege ehemaliger Räte der Bezirke benutzt. Wir wollen Platz für neue Leute haben und verhindern, daß zukünftige politische Entscheidungen im Apparat zerrieben werden. Außerdem wollen wir nicht dafür mitverantwortlich sein, daß für die Übernahme von 1.500, einschließlich der Nachfolgeeinrichtungen 3.000 Beamten 4 bis 5 Millionen DM monatlich herausgeschmissen werden.

Wolf sagt, er habe in Übereinstimmung mit der Clearingstelle in Bonn entschieden.

Recherchen haben ergeben, daß dem nicht so ist. Wenn sich ergibt, daß die Clearingstelle abgeraten hat, Wolf aber von Übereinstimmung spricht, dann ist das schon mehr als ein kleines Versehen. Die Koalition wird daran nicht zerbrechen. Doch die SPD hat das Vertrauen ihrer Koalitionspartner mißbraucht, denn in den Koalitionsverhandlungen ist genau das Gegenteil von dem ausgehandelt worden, was von der SPD, genauer gesagt von Herrn Wolf, schon entschieden worden war. Vielleicht müssen wir alle lernen: Herr Stolpe, daß er nicht mehr Konsistorialpräsident ist. Und wir sind nicht mehr nur die Ökotruppe der Kirche. Wir machen jetzt gemeinsam Politik, und der Apparat ist nicht mehr allmächtig. Stolpe muß als Ministerpräsident jetzt sein Schwert nehmen und eine Schneise schlagen. Irina Grabowski