Nepal feiert den 9.November

König Birendra hat neue Verfassung und damit die Souveränität des nepalesischen Volkes verkündet  ■ Aus Katmandu Tom Trekker

Sieben Monate nach dem Erfolg der Demokratiebewegung in Nepal hat König Birendra Bir Bikram Shah gestern eine Verfassung für eine konstitutionelle Monarchie verkündet und sich damit weitgehend selbst entmachtet. Wochenlang hatten die Nepalesen diesem Tag entgegengefiebert. Nun wurde der 9. November — zufällig Jahrestag der Berliner Maueröffnung — zum öffentlichen Feiertag erklärt. Doch in den Straßen von Katmandu blieb der große Jubel, der am 9. April nach der Aufhebung des 30 Jahre alten Parteienverbots losgebrochen war, aus. Nur ein paar tausend Anhänger der sozialliberalen Kongreßpartei zogen mit Parteiflaggen durch die Straßen. Der Wahlkampf für den Urnengang im April '91 hatte begonnen.

Die Zeremonie war denkbar einfach: eine Militärkapelle und roter Teppich vor dem modernen Naryanhiti-Palast, die Minister fahren in ihren Staatskarossen südkoreanischer Bauart vor, im Mercedes Premierminister Krishna Prasad Bhattarai. Pünktlich zur Mittagsstunde tritt Birendra vor den kleinen Kreis von Ministern, Parteiführern und Militärs — außer der Linksfront-Vorsitzenden Sahana Pradhan alles Männer. Keine fünf Minuten redet Birendra, und 222 Jahre nach der Staatsgründung Nepals ist nicht mehr der König, sondern das Volk Souverän am Himalaya. Als wolle er es schnell hinter sich bringen, schreitet Birendra aus dem Thronsaal, zum Stehimbiß mit dem diplomatischen Korps.

„Was, das war's?“, war die erste Reaktion von ein paar vor einem Fernsehgerät gedrängten Nepalesen. Den „historischen Augenblick“ erlebte das Volk vor dem Fernseher oder dem Radio. Am Haupteingang zum Palast im Durbar Marg, wo am 6. April die bis dahin größte Demonstration für Demokratie am Himalaya von den Knüppeln und Kugeln der Polizei niedergemacht worden war, hatten sich kaum drei Dutzend Schaulustige eingefunden — die meisten Touristen. Der Alltag in Katmandu schien kaum davon berührt, daß Nepal nach einem demokratischen Intermezzo Ende der 50er Jahre nun wieder zu einer parlamentarischen Demokratie wird. Die Verfassung sieht ein Zweikammerparlament vor, schreibt den Parteien eine Frauenquote von fünf Prozent vor, garantiert die Menschenrechte und schützt kulturelle Minderheiten. Trotz Religionsfreiheit bleibt Nepal ein Hindu-Königreich.

Premierminister Bhattaral, Präsident der sozialliberalen Kongreßpartei, sprach von einem „historischen Datum“ und einem „historischen Dokument“, für das viele ihr Leben gelassen hätten. Dieses „wunderbare Grundgesetz“ öffne „viele neue Möglichkeiten“, sagte Bhattarai vor der Presse. Die kommunistischen Gruppen der Vereinigten Linksfront (ULF) hielten sich mit Beifall zurück. Die Verfassung gebe dem König immer noch das Recht mitzuregieren oder den Notstand auszurufen. Madav Nepal, der für die Kommunisten die Verfassung mitgeschrieben hatte, verwies darauf, daß die reaktionären Kräfte des Palastes ihre Macht nicht so leicht abgäben. Birendra sei von der vorgeschriebenen Formel abgewichen und habe seinen Schritt nicht mit dem Willen des Volkes, sondern in alter Manier selbstherrlich mit seiner „angeborenen Macht“ legitimiert.