RADIODAYS: Montag
■ Dienstag * Mittwoch
Das Labor des Kim-Il-Sung heißt eine Sendung auf Radio Bremen 2, die eher verharmlosend den Untertitel Reisenotizen aus Nordkorea trägt. Was den wenigen zugelassenen Besuchern aus dem Westen in einer der letzten Bastionen des Weltkommunismus' vor allem zustößt, ist der monolithische Personenkult, zu dem die etwa 20 Millionen Koreaner erzogen werden. Nicht nur die 36.000 Statuen des „Great Leader“ zeugen von der normierten Alltagsrealität seiner Untertanen, sondern auch die Erziehungsmaxime, der erste zusammenhängende Satz eines jungen Koreaners solle lauten: „Ich danke dir, Genosse Kim-Il-Sung.“ Auch wenn es solch ungewöhnliche Sprachbegabung in Nord-Korea sicher häufig gibt, arbeitet, so die Autoren, die Maschinerie des allmächtigen Greises beständig weiter an der Abschaffung des Individuums mit der Fabrikation des uniformen Menschen als ihrem Endziel. Wie so häufig in diesem Jahrhundert stellt die Wirklichkeit Orwells Roman 1984 in den Schatten. Die Beobachtungen von Norbert Lorenz und Burckhard Scherer gehen um 20.05 Uhr auf Sendung.
Um 20.30 Uhr gibt es beim SWF 2 Werke vonSteve Reich zu hören. Der Meister der Avantgarde-Musik über seine Arbeit: „Einen graduellen musikalischen Prozeß zu spielen oder zuhörend zu verfolgen, ist ähnlich, wie sein Füße in den Sand zu stecken und zuschauen, wie die Wellen sie langsam eingraben...“ Wenn das nichts ist, jetzt, im November!
Aber vielleicht soll's doch eher Heavy Metal sein. Beim DLF geht's um die Ahnen-Band aller jungen Hard- Rock-Gruppen: Led Zeppelin, und Michael Frank fühlt zusammen mit dem Sänger Robert Plant dem Enfluß der Ex-Band auf den Zahn.
Um 23 Uhr widmet Ria Endres dem fast vergessenen Kulturkritiker und Essayisten Theodor Lessing einen Radio-Essay. Bereits 1916 veröffentlichte Lessing sein Buch Europa und Asien, in dem er radikal Kritik übte an der technologiehörigen Gesellschaft mit ihren kolonialistischen und umweltbelastenden Tendenzen. Seine Ermordung, 1933 auf der Flucht nach Prag, wurde in der 'Niederdeutschen Zeitung‘ kommentiert: „Nun ist auch dieser unseelige Spuk weggewischt.“ Der zweite Teil dieses Essays wird am Mittwoch zur gleichen Zeit ebenfalls auf Rias 1 gesendet.
Pünktlich zur Heiz- und damit Smogperiode hat der Rias 1 sich ein Trostpflaster ausgedacht und bietet allen Gerruchsgeschädigten eine Kulturgeschichte der Düfte an. Ab 18.35 Uhr ziehen die Schwaden durch den Äther und dem Programmheft nach zu urteilen, wird von den orientalischen Mythen bis hin zur letzten Chanel-Création kein Entwicklungsstadium ausgelassen. Also: Duftnoten vormerken!
Auch Schriftsteller werden nicht jünger. Dieter Wellershoff feierte am 3.November seinen 65. Geburtstag. Zu diesem Anlaß kramte der WDR 3 ein Hörspiel des Autors hervor. Schneelandschaften, Schneestimmen, Schneegespenster kommt um 21 Uhr. Ein Essay über die Rundfunkarbeit Wellershoffs folgt auf dem Fuße.
Mit Kurt Weills Street Scene läutet der Rias 1 den jungen Morgen ein. Ab 0.35 Uhr ist dieses Musical, das dem Dessauer einen Riesenerfolg am Broadway bescherte, zu hören.
Seit einem Jahr nun ist die Mauer weg und die Ex-DDR hat sich enorm verändert. Der hr 1 wollte es aber genauer wissen und ließ in die Seelen der von der Demokratie überrumpelten Bevölkerung blicken. Renate Klingma sprach mit Profis in Ost- Berlin und ihre Erkenntnisse sind um 19.30 Uhr zu hören: Diktaturschäden — Demokratieschäden?
Die Fans afrikanischer Musik kommen beim SWF 2 um 21.30 Uhr auf ihre Kosten: hier wird Youssou N'Dour, Senegals bester Sänger porträtiert.
Als Oswiecim Auschwitz hieß ist ein Feature über den wenig bekannten polnischen Widerstand gegen das NS-Vernichtungslager, das um 23 Uhr vom SFB 3 übertragen wird.GeHa
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