: Der Weg in Richtung Mittelalter
■ betr: "Apotheker-Weisung kritisiert", taz vom 6.11.90
betr.: „Apotheker-Weisung krtisiert“, taz vom 6.11.90
[...] Am 6.11.90 steht's in der 'FR‘. Dort wird unter anderem auch explizit auf die Ansicht des Papstes hingewiesen, der es für die Pflicht der ApothekerInnen hält, die KundInnen moralisch zu beeinflussen; auch Kritik wird gemeldet: zum Beispiel hat erfreulicherweise die Bundesvereinigung Deutscher Apotheker den Aufruf aus dem Vatikan zurückgewiesen, die Professorin für Religionsgeschichte (Uni Essen) Uta Ranke-Heinemann die Weisung verurteilt: „Das Oberhaupt der Katholiken mische sich hier ,in Dinge ein, die ihn überhaupt nichts angehen‘, betonte sie am Montag gegenüber der Hörfunkagentur Radiodienst Bonn. Nicht nur die Frauen in Europa, sondern auch die Schwarzen in Afrika seien inzwischen kompetent genug, ,um auf die voyeurhafte Anteilnahme weißer Junggesellen in ihren Ehebetten verzichten zu könne', sagte sie.“
Und die taz? Sie bringt lediglich eine kleine Notiz auf Seite 7, das heißt aus der oben zitierten Äußerung die Verkürzung: „,Das Oberhaupt der Katholiken mische sich „hier in Dinge ein, die ihn überhaupt nichts angehen‘, betonte sie gestern in Bonn. ,Alle Frauen seien inzwischen kompetent genug, um auf die voyeurhafte Anteilnahme weißer Junggesellen in ihren Ehebetten verzichten zu können.‘“
Vom Inhalt her ein entscheidender Unterschied — die Weisung des Papstes zielt eben nicht nur auf die Frauen, ihm geht es grundsätzlich um die Lust-/Sexualitätsfeindlichkeit, wie sie seit Jahrhunderten in kirchlichen Verlautbarungen etc. zu finden ist und wie sie immer „neu“ aktiviert wird.
[...] Die Reaktion des Papstes und seiner ihn tragenden Schafe auf die durch die Bevölkerungsexplosion nicht nur in der „Dritten Welt“ stetig steigende Armut wird schon seit einiger Zeit zu Recht immer häufiger treffend als zynisch und menschenverachtend gekennzeichnet. Dies hält jedoch den Oberhirten der Christenheit offenbar nicht davon ab, seinen Weg in Richtung Mittelalter und Inquisition noch zügiger und beharrlicher fortzusetzen. [...]
Trotz der kritischen Stimmen bleibt die Befürchtung, daß die durch die Hetzkampagne des Papstes beabsichtigte Einschüchterung und Verteufelung von Frauen und Verketzerung aufgekärter ApothekerInnen und MedizinierInnen nur die ersten Schritte zum Boykott und Pogrom bilden; zudem sind sie lediglich Bestandteil der gesamten von der Kirche verfolgten Politik. Und es ist gerade eine Aufgabe auch der sich „links“ nennenden Presse, sich der gesamten Thematik anzunehmen und kirchen-/religionskritische Positionen zu verbreiten. Gabriele Schütte, M.A., Referentin für Politische Bildung, Ferdinand Tönnes-Gesellschaft, Kiel
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