: Nicaraguas Contra im Machtkampf
■ Immer mehr Ortschaften von Excontras besetzt oder abgeschnitten/ Übergabe von Ländereien und Umbesetzungen in der Regierung gefordert/ Chamorro verhandelt mit rebellischen Bürgermeistern
Managua (afp) — Die seit über einer Woche anhaltenden Proteste ehemaliger Contra-Rebellen und anderer rechtsgerichteter Kräfte gegen die nicaraguanische Regierung haben sich ausgeweitet und erste Menschenleben gefordert. Wie die Regierungszeitung 'La Prensa‘ am Samstag berichtete, stürmten etwa hundert Rebellen die 380 Kilometer von der Hauptstadt entfernte Ortschaft El Coral. Bei dem Angriff am Freitag habe es „mehrere Tote und viele Verletzte“ gegeben, hieß es.
Bei Auseinandersetzungen zwischen Contras und Sicherheitskräften im südnicaraguanischen Nueva Guinea starben mindestens drei Menschen; 37 weitere wurden nach Polizeiangaben verletzt. Ein anderes Contra-Kommando schnitt die Ortschaft Concepcion, etwa 30 Kilometer von Managua entfernt, von der Außenwelt ab. Die Rebellen umzingelten auch die Polizeiwache und nahmen drei Beamte als Geiseln.
In Managua selbst besetzten Hunderte Händler und Excontras die katholische Kirche El Calvario. Sie bekundeten ihre Solidarität mit den seit einer Woche ausharrenden Besetzern der Kirche Las Sierritas im Süden der Hauptstadt.
Die Protestler, die mittlerweile gut die Hälfte der Straßen des östlichen Landesteils blockieren, hatten ursprünglich die Übergabe verstaatlichter Landgüter verlangt. Mit der Ausweitung der Unruhen kristallierte sich jedoch die Forderung nach Ablösung mehrerer als liberal geltender Minister sowie des Armeechefs Humberto Ortega als gemeinsamer Nenner heraus. Desweiteren verlangen die Aufständischen die Stärkung des von Staatschefin Violeta Chamorro ausgebooteten Vizepräsidenten Virgilio Godoy, der als rechter „Hardliner“ gilt.
Godoy bekundete am Wochenende erstmals öffentlich seine Sympathie für die Proteste. Er unterstütze die Forderungen, sei aber nicht der eigentliche „Motor“ der Unruhen, sagte Godoy. Der frühere Präsident Daniel Ortega hatte in Mexiko erklärt, hinter den Unruhen, mit denen ein Staatsstreich vorbereitet werden solle, stehe der Vizepräsident.
Der nicaraguanische Kardinal Miguel Obando y Bravo hatte sich am Donnerstag hinter die Contra gestellt und vor einer Verschärfung der Lage im Land durch die Protestaktionen gewarnt. Dies könne nur durch die baldige Erfüllung der Forderungen der Contra verhindert werden.
Präsidentin Violeta Chamorro nahm unterdessen Verhandlungen mit den 18 Bürgermeistern auf, die sich am Donnerstag dem Protest angeschlossen hatten. An den Verhandlungen nahm auch Innenminister Carlos Hurtado teil, dessen Absetzung von den Contras gefordert wird. Die Bürgermeister hatten auch die Suspendierung des liberalen Ministers im Präsidentenamt, Antonio Lacayo, gefordert. Er gilt als der starke Mann der Regierung.
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