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AUSLOSANGELES

DERHEUTIGELIEBLINGS-MUSIK-TIP  ■  STEVE WYNN

Es ist mal wieder Zeit für ein Geständnis. Steve Wynn, bzw. seine frühere Band Dream Syndicate waren die perfekte Verkörperung des Neo-Hippietums. Eine musikalische Richtung, der ich persönlich völlig verfallen war.

Diese Mutation der Hippiemusik war so erst nach Punk richtig möglich geworden. Wir können zwar unsere Instrumente spielen und irgendwie lieben war auch diese uralte, dumme, peinliche Musik, aber mit Love und Peace und all dem Mist haben wir nichts zu tun. So entstanden jede Menge Bands, die direkt aus der Wüste in unsere Herzen fuhren. Die Wüste konnte dabei wahlweise aus Sand oder Beton bestehen.

Doch keine dieser unzähligen Bands, hießen sie nun Naked Prey, Giant Sand oder Rain Parade, brachte das desperate Lebensgefühl des gerade zuende pupertierten Jünglings so auf den Punkt wie Dream Syndicate: »Every cloud has a silver lining/ Every doubt has an answer I know/ But in my heart there's no light shining/ That's the side that I'll never show« (»The Side I'll Never Show«)

Keiner artikulierte sich beim Singen so deutlich wie Steve Wynn, da gab es nicht das, bei den Amis eigentlich so beliebte, Nuscheln, der Mann wollte verstanden werden, und doch hatte dabei keiner so deutlich die Stimmbänder angesoffen wir er. Keiner repräsentierte so deutlich nicht sich selbst, sondern das Idealbild und zugleich die Zerrissenheit der zwischen den Generationen Verlorenen, weil zum Ende der 60er Geborenen. Einerseits Singer/Songwriter, andererseits undenkbar ohne die Band. Einerseits völlig normal, ohne alle Extravaganzen, andererseits tun sich seelische Abgründe auf, knallt etwas durch. Einerseits zutiefst pessimistisch, eben lost generation (und das auch noch mehr als dreißig Jahre zu spät), andererseits auch immer weiter machen, existentialistisch sich treiben lassen.

Der völlig einsame Einzelkämpfer Steve Wynn, unnahbar und unerträglich, unantastbar und völlig unnatürlich, ein Kunstgebilde, wie es nur einem sich zu Höherem berufenen, aber im Grunde zutiefst normalen Gehirn entspringen kann. Auch deshalb war der Dream Syndicate-Split nur logisch, denn wer soll so jemanden schon auf Dauer ertragen? So versucht Steve Wynn nun solo zumindest finanziell endlich zu ernten, was Dream Syndicate ein Jahrzehnt lang gesät haben. Seine letzte Platte ist entsprechend glatt geraten, aber das waren Dream Syndicate zum Schluß auch schon gewesen.

Aber live kehrten immer wieder die Anfangszeiten zurück. Damals, als sie ihr erstes Album an nur einem Tag einspielten. Ihre Konzerte gingen manchmal drei, vier Stunden lang, so eine Art Grateful Dead goes Punk. Man kann nur hoffen, daß Steve Wynn heute die richtigen Mitspieler dabei hat und auch ein paar alte Songs spielt. Dann wird's vielleicht wie früher, und früher war ja alles besser. to (Voto: Roland Owsnitzki)

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