: Desperately seeking Xaver
Deutschland Cup im Eishockey: Während sich die Finnen den Turniersieg schnappten, ging Xaver Unsinn leise durch die Hintertür/ Medienballyhoo um Bielke (Dynamo Berlin) ■ Aus Stuttgart Peter Unfried
Kohl nicht Kanzler, der „Kaiser“ ohne Fortune, Bayern ohne Sepplhut, ja selbst die taz ohne ihre Leibesübungen. Alles, alles zwar nur sehr schwer vorstellbar, aber doch zumindest theoretisch möglich. Aber die deutsche Eishockai-(sic!)Mannschaft ohne den Unsinn Xaver, dieser Personifikation der Sportart schlechthin und überhaupt? Unmöglich. Doch das war gestern. Beim Deutschland-Cup in der Stuttgarter Schleyerhalle am Wochenende sollte für das Eishockey hierzulande bereits übermorgen anbrechen, und da wirkte Xaver im (ja, ja, in was denn sonst?) Pepitahütchen wie ein Überbleibsel aus einer schönen, guten, alten, aber doch längst vergangenen Zeit. Aus einer personificatio war, kaum daß der Puck einmal nach links und einmal nach rechts und vor allem ein paarmal zu oft ins deutsche Tor gerollt war (bei der letzten WM nämlich, und das auch noch gegen die Norweger, die doch noch nie Eishockey spielen konnten), ein Anachronismus geworden.
Mit Ladislav Olejnik, dem reputierten Bundesliga-Coach der Frankfurter Eintracht und Unsinns Kronprinz Erich Kühnhackl soll eine neue Ära anbrechen, die den DEB langfristig, das heißt spätestens zur WM 1993, die auf heimischem Eis stattfinden wird, unter den vier weltbesten Teams etablieren soll. Titelrunde statt Abstiegsrunde also, und da kamen die Gegner CSFR, Finnland und vor allem die Schweden gerade recht zur Standortbestimmung.
Obwohl, so ganz recht dann auch wieder nicht, denn Udo Kießling war verletzt, Gert Truntschka krank, und einige andere fühlten sich auch nicht so recht wohl. Da durften die Jungen und die Ossis zum ersten Mal ran. Letztere kamen zu dritt, nämlich mit den Stürmern Ralf Hantschke (Weißwasser), sowie Mario Naster und dem Goalie René Bielke (beide Dynamo Berlin). Bielke, vom Aussehen her ein jüngerer Bruder des (un)vergessenen Peter Hussing, auf dem Eis aber mit den Reflexen eines René Weller ausgestattet, durfte ausgerechnet gegen die bärenstarken Schweden (die dann so bärenstark doch nicht waren und gegen die Finnen verloren) mispielen, kassierte fünf Treffer und war doch hinterher in aller Munde und zum besten deutschen Spieler gekürt. Erstens, weil er wirklich gut war, zweitens, weil's sich so schön anbot, nachdem die Presse (die anderen, versteht sich) begierig auf Bielke war, und die durch seinen Einstieg aufgeworfenen Fragen von öffentlichem Interesse. Etwa jene, ob der René nach 107 (offizielle DDR-Statistik) oder 111 (inoffizielle Bielke-Statistik) Länderspielen für den Osten jetzt wieder bei null anfange oder nicht.
Eine Fangfrage, klar, auf die der Fangkünstler dann auch prompt hereinfiel, er errechnete Länderspiel Nummer 112. Und das, obwohl doch nur Vergangenheitsbewältigung eine blütenweiße Zukunft bringen kann und eine D-Markschwere noch dazu. Denn eine Anreise, ganz allein, einfach das Ticket in Tegel abgeholt, wie René das zum ersten Mal durfte, mag zwar ganz interessant sein („faszinierend“), doch richtig „komisch“ wird's, den Kollegen zuzuhören, wie sie über Geschäfte reden und Geld. Für eine Neubauwohnung in West-, äh, im Westen Berlin reicht's zwar, doch „bei den Mieten in Berlin spielst du fast nur für die Wohnung“. Wenn die zweijährige Wechselsperre von Ostspielern abgelaufen sein wird, will Bielke „einen Wechsel ins Auge fassen“.
Während nach sonstigen Gepflogenheiten Journalisten um die Celebritäten herumzuschleichen haben, demonstrierte der „gelernte Maschinen- und Anlagenmonteur“, daß das Spielchen auch andersherum praktiziert werden kann. Der Mann scheint zu wissen, was er will. Ein anderer noch nicht. Und erst da wird die kommt die Überschrift dieses Artikels erst richtig zum Tragen, denn „Xaver verzweifelt gesucht“ ist natürlich nur eine Bedeutung des Originals „Desperately seeking Xaver“, wobei Xaver als Synonym für Erfolg, d.h. die Bronzemedaille von Innsbruck steht.
Bedeuten kann das aber auch, daß dieser Xaver verzweifelt sucht. Eine neue Betätigung nämlich. Reden konnte er schon immer gut, also böte sich „Bindeglied zwischen Wirtschaft und Medien“ für den DEB an, doch der scheint froh, den „Xare“ endlich verabschiedet zu haben. „Stuttgart bedankt sich bei Xaver Unsinn, der für das deutsche Eishockey soviel getan hat wie kein anderer zuvor.“ Das klang schon sehr nach Nekrolog.
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