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Fünf vor zwölf

■ Am Golf wird die Zeit für Initiativen zu einer friedlichen Lösung der Krise knapp

Es ist fünf Minuten vor zwölf am Golf“, resümierte Alt-Bundeskanzler Willy Brandt nach seiner heiklen Bagdad-Mission. Und ein wenig erinnerte der SPD-Ehrenvorsitzende dabei an den Benjaminschen „Angelus novus“, jenen fatalistischen Geschichts-Chronisten, der mit Blick auf die Vergangenheit vom historischen Atem in eine unabwendbare, katastrophale Zukunft geweht wird. Von einem Sturm, „der sich in seinen Flügeln verfangen hat und so stark ist, daß der Engel sie nicht mehr schließen kann. Dieser Sturm treibt ihn unaufhaltsam in die Zukunft, der er den Rücken kehrt, während der Trümmerberg vor ihm zum Himmel wächst.“

Das fatale Bild ist der fatalen Wirklichkeit am Golf angemessen. Einen Krieg mit möglicherweise Hundertausenden von Toten und unabwägbaren politischen Folgen für den gesamten Nahen Osten, will — schenkt man den Aussagen aller Beteiligten Glauben — keiner. Und doch reden alle von einem beinahe unabwendbaren Krieg. Selbst der sowjetische Außenminister Schewardnadse, bislang vehementer Verfechter einer friedlichen Lösung, will eine „militärische Gewaltanwendung“ nicht mehr ausschließen. Und sogar im UNO-Sicherheitsrat war bereits von „militärischen Sanktionen“ die Rede. Auch US-Außenminister Baker zeigte sich mit dem Ergebnis seiner Rundreise, mit der er offensichtlich dem Kriegswillen der Verbündeten auf den Zahn fühlen sollte, hochzufrieden. Anschließend durfte US-Präsident Bush — ohne einen politischen „Dolchstoß“ von Seiten der Alliierten befürchten zu müssen — die Aufstockung der amerikanischen Golftruppen um weitere 150.000 Soldaten auf 400.000 Mann verkünden. Im Januar, so prognostizieren Militärstrategen, wenn die Truppenstärke entsprechend hoch und die Temperaturen niedrig sind, wird das „Startfenster für einen Offensivschlag“ sperrangelweit offenstehen.

Nach 16wöchiger Besetzung Kuwaits scheint der diplomatische Verhandlungsspielraum für eine friedliche Lösung der Golfkrise endgültig ausgereizt. Doch allem Geschrei vom unabwendbaren Krieg zum Trotz bleibt noch Zeit, neue Ideen und Initiativen für eine friedliche Lösung der Krise zu entwickeln.

Dabei muß aber endlich das Gerede aufhören, jeder hochrangige Besuch am Tigris helfe nur Saddam Hussein, das fette Öl-Emirat Kuwait zu verdauen, das ihm ansonsten im Magen läge wie weiland dem bösen Wolf die Wackersteine. Walter Saller

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