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Gleich am Angang Ostberlins heimlicher Hauptstraße, ...

Gleich am Anfang Ostberlins heimlicher Hauptstraße — der Schönhauser Allee — zweigt die Lottumstraße links ab. Mit einer leichten Steigung beginnt hier der Prenzlauer Berg. Die Lottumstraße befindet sich genau im toten Winkel zwischen Berlins Vorkriegslasterhöhle, dem Scheunenviertel, und der heutigen Intellektuellenzentrale um die Würstchenbude von Konopke herum. So abgelegen ist es ein wenig verwunderlich, daß sich hier gleich drei neue Kneipen etablieren konnten. Doch vielleicht hat jedes Besetzerprojekt den Ehrgeiz, in der unteren Etage für Kaffee und Kuchen oder Bier zu sorgen.

Aber Ehrgeiz und Langeweile der Hausbewohner reichen kaum aus, neben den angereisten Kumpels aus Zwickau und Neuruppin, auch anderen den Weg Richtung Lottumstraße schmackhaft zu machen.

Auf der linken Seite (von der Schönhauser aus) befindet sich KITA, oder wie manche auch sagen: das Triangel. Eine Kneipe mit martialisch vergitterten Fenstern. Sicher noch ein Restposten aus der Vor-Wende-Zeit. Diese gastronomische Einrichtung ist allerdings die symphatischste in der Lottumstraße. Das Äußere ist angeberisch unscheinbar. Und wenn nicht immer ein paar Pilzköpfe vor der Tür herumlungerten, würden einem nur die aus den Fenstern herausquellenden Zigarettenschwaden anzeigen, daß hier junge Wirtsleute ihr Bier verkaufen möchten. Im Gegensatz zu den anderen beiden Kneipen in dieser Straße darf davon ausgegangen werden, daß es hier auch Gäste gibt, die nicht in diesem Hause wohnhaft sind.

Zum Thema Speisekarte: Wenn ein Stück Käse zum Rotwein genügen sollte, kann man sagen, daß man im TRIANGEL gegessen hat.

Am sanft bullernden Kachelofen sitzend, freundet man sich mit dem groben Ambiente der metallenen Inneneinrichtung an, die das Hobby einiger Altmetallhändler verrät.

Ein Stückchen weiter die Straße runter (Richtung Chorinerstraße) weht der gastronomische Wind allerdings schon deftiger. Im Bandito Rosso beispielsweise setzt man zielsicher auf das rustikale Interieur Thälmann'scher Barikadentage. Es gibt magenschonenden nikaraguanischen Solidaritätskaffee und auf einer langen Wäscheleine baumeln allerhand modische Shirts mit kämpferischen Sprüchen; ein paar bewegte Grüppchen stehen am Tresen und planen einen Wochenendausflug in die nächste Seitenstraße. Bandito Rosso, das sollte vielleicht gesagt werden, versteht sich nicht als Café — das wäre zu wenig: man ist ein Infoladen, indem sich der politisch Interessierte genauestens über die aktuelle Lage in der ehemaligen DDR informieren kann. Darum — lieber Besucher, Vorbeieilende oder potentielle Gast — sei Dir darüber im Klaren, daß Deine durstige Kehle Deinem leeren Hirn (Du wirst sicher wißbegierig sein) hintanzustellen sei.

Nach dem Besuch im Rosa Lux, der dritten Einrichtung, will mir nichts mehr einfallen, was über die ersteren nicht schon gesagt worden wäre: auch hier kämpft man mehr um sich, als um Gäste. Aber Hausgemeinschaften haben hier ja eine gute Tradition. Volker Handloik (Foto: Susanne Schleyer)

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