Amtsrichter kassiert Bußgeldverfahren

Darmstadt (taz) — Mut vor Fürstenthronen demonstrierte der Darmstädter Amtsrichter Schneider mit einem jetzt bekannt gewordenen Urteil zum Volkszählungsboykott vom 30. Oktober. Er widersprach einem Urteil des Frankfurter Oberlandesgerichts und stellte ein Bußgeldverfahren schlichtweg ein. Gleichzeitig erteilte er der Hessischen Landesregierung gratis eine Rechtsbelehrung. Er begründete die Einstellung damit, daß das Regierungspräsidium in Kassel, das den Bescheid gegen einen Sozialarbeiter erlassen hatte, dafür gar nicht zuständig gewesen sei. Da habe schlichtweg die falsche Behörde kassieren wollen. Zum ersten seien Bußgelder bei Auskunftsverweigerung in allen entsprechenden Gesetzen überhaupt nicht vorgesehen, zum zweiten könnten sie, wenn überhaupt, nur nach dem Bundesstatistikgesetz eingezogen werden. Daran ändere auch ein Erlaß der Hessischen Landesregierung aus dem Jahr 1987 nichts, der das Regierungspräsidium als zuständig erklärte. Richter Schneider wertete diesen Verstoß in seiner Urteilsbegründung als „schwerwiegend“, zumal „nicht etwa nur in einem Einzelfall eine unzuständige Behörde tätig wird, sondern eine rechtswidrige Zuständigkeitsregelung für die Gesamtheit aller Verfahren getroffen wurde“. Er konstatiert eine „rechtswidrige Schein-Rechtsgrundlage“. Diese sei besonders gravierend, „weil nicht unmittelbar ersichtlich“. Daher drohe die Gefahr der Wiederholung. Es sei, so Schneider, „rechtsstaatlich äußerst bedenklich, dem ... falschen Schein“ durch eine Verurteilung Anerkennung zu verschaffen. hei