: Lange Nacht nach Tag der Räumung
■ Mehrere tausend Menschen demonstrierten wegen Räumung der Mainzer Straße/ Nach ruhigem Marsch Steinwürfe und Tränengas in Friedrichshain
Berlin. Der Termin stand zwar schon vorher fest, doch nach der spektakulären Räumung am frühen Morgen bekam die für gestern abend angesetzte Demonstration eine besondere Brisanz. Im Laufe des späten Nachmittages wuchs die Menge derer, die sich mit den geräumten Besetzern solidarisieren und gegen die Politik des Senates protestieren wollten, auf mehrere tausend Menschen. Unter Begleitung eines großen Polizeiaufgebotes startete der Marsch am Senefelder Platz und endete ohne Zwischenfälle am Frankfurter Tor. In den dortigen Seitenstraßen prallten im Verlaufe des Abends jedoch einzelne, kleinere Demonstrantengruppen mit der Polizei zusammen. Nach Schüssen mit Leuchtspurmunition und Steinwürfen stürmten Polizeibeamte den Demonstranten nach und nahmen mehrere von ihnen fest. Schaufensterscheiben wurden eingeworfen, über dem Areal waberten Tränengasschwaden.
Gegen 20 Uhr war die Demonstration zwar offiziell beendet worden — mit der Aufforderung, den »Dialog mit den Bürgern« zu suchen —, die Menge zerstreute sich jedoch noch nicht. Schützenpanzer der Polizei hatten die Frankfurter Allee in Richtung Mainzer Straße auf allen Fahrspuren blockiert, Mannschaftswagen versperrten die Fußwege. Zwischen den Polizeiketten und dem Gros der Demonstranten setzten sich Ostberliner Bürgerrechtler, viele davon vom Neuen Forum, mit Teelichtern und anderen Kerzen. Mit dieser Sitzblockade sollte versucht werden, Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei zu verhindern. Die Appelle der Sitzblockierer nach Gewaltfreiheit wurden von Teilen der Demonstrantenmenge jedoch mit dem Ruf »Feuer und Flamme für diesen Staat« beantwortet.
Anfangs brannten lediglich abgerissene Wahlplakate, die von Demonstranten übereinandergeschichtet und angesteckt worden waren. Um 20.30 hatte die Mehrheit der Demonstranten den Frankfurter Platz verlassen, Bürgerrechtler und ein »harter Kern« der Autonomen blieben zurück.
Reiner Schult (Neues Forum) befürchtete zu diesem Zeitpunkt: »Lange können wir die Stellung nicht mehr halten.« Er und seine Mitstreiter befürchteten allerdings bereits, daß es im Verlaufe der Nacht in den Seitenstraßen rund um das Frankfurter Tor zu Auseinandersetzungen kommen könnte. Die Stimmung an diesem Friedrichshainer Verkehrsknotenpunkt war schon länger angespannt. Feuerwerkskörper wurden bereits gezündet, doch Steine flogen da noch nicht. ok/maz/taz
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