piwik no script img

Asbach Uralt

■ „Neuner“ — ein Kinofilm des „Liebling Kreuzberg“-Teams

Manfred Krug ist ein wunderbarer Schauspieler, zweifellos. Jurek Becker schreibt gute Drehbücher, keine Frage. Werner Masten ist ein erfolgreicher Fernsehregisseur, klar. Mit Liebling Kreuzberg haben die drei bewiesen, daß ein gutes Team TV-Serien machen kann, die besser sind, als der Ruf des deutschen Fernsehens erwarten läßt. Trotzdem oder gerade deswegen enttäuscht ihr Versuch, dieses Erfolgskonzept auf die große Kinoleinwand zu übertragen.

Manfred Krug ist Neuner, ein schlitzohriger westdeutscher Bauunternehmer, der seine Frau betrügt, der seinen besten Freund als Strohmann für einen windigen Immobiliendeal mißbraucht, seine alte Freundin übers Ohr haut, seinen erwachsenen Sohn erpreßt, nach dem Tod der jugendlichen Geliebten ohne Skrupel deren Schwester anzubaggern versucht — kurz: ein Oberfiesling, dem Krug seinen typisch grobschlächtigem Charme verleiht.

Und das ist auch schon alles. Die Story ist schwach, seine Schauspielpartner wenig überzeugend und der Schauplatz Berlin ein schlechtes Abziehbild: Hotel Kempinski, Kudamm, U-Bahn Linie 1. Dem Drehbuchautor Becker ist wie vielen seiner Kollegen die aktuelle deutsch- deutsche Geschichte in die Quere gekommen. Das fertige Buch mußte wegen der Maueröffnung schnell noch mal umgeschrieben werden. Ein paar reichlich abgegriffene Gags über die marode SED-Hinterlassenschaft haben es aber nicht besser gemacht.

Die typische Fernsehspieldramaturgie wirkt zu flach auf der Leinwand, das tränengerührte Frauengesicht in Großaufnahme hält dem Kinoformat nicht stand, klamaukhafte Sexszenen erinnern mehr an Boulevardtheater als an einen Spielfilm. Natürlich gibt es auch gelungene Szenen und Dialoge, denen man Beckers Handschrift anmerkt. Aber die hat er ungerechterweise nur seinem Liebling auf den wohlgerundeten Leib geschrieben. Mehrmals darf Krug seine Wampe vor dem Publikum entblößen - ungeniert streckt er die speckige Blässe der Kamera entgegen. Als einmal unverhofft eine junge Dame ins Hotelzimmer platzt, verschwindet er rasch im Badezimmer, weil er „den Bauch nicht so lange einziehen kann“. Das ist der Rechtsanwalt Liebling aus Kreuzberg, das ist Brigadier Baller aus Spur der Steine, dafür lieben wir Manfred Krug, aber mit dieser Masche kann er uns eben auch nicht mehr überraschen. Und weil ein routinierter Schauspieler in einem mittelmäßigen Fernsehspiel im Kino nur bedingt fesselt, beginnt man auf die kleinen ärgerlichen Details zu achten. „Asbach Uralt“ als Cognac- Hausmarke im Kempinski? Niemals! Ein Jubiläums-Pils für Manne Krug — ach ja, stimmt, der hat ja einen Werbevertrag mit Schultheiß ...

Eine schöne Entdeckung gibt's allerdings bei genauem Hinhören zu machen: Robert DeNiro als Kaufhausdetektiv. Nicht der ganze, sondern eigentlich nur seine Stimme. Christian Brückner, Deutschlands gefragtester Synchronsprecher (er verhilft auch Warren Beatty und Denzel Washington in Spike Lees Mo'Better Blues zu hochdeutscher Aussprache) hat einen kleinen Auftritt vor der Kamera. Ute Thon

Neuner. Von Werner Masten. Buch: Jurek Becker. BRD 1990, 93 Minuten. Mit Manfred Krug, Claudia Wedekind und Sibylle Canonica.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen