: Schutz vor den Schützen!
■ Eine Umfrage offenbart Politprofil deutscher Sportler Folgen für Berichte in den Medien bleiben abzuwarten PRESS-SCHLAG
Alle reden von Hooligans und fürchten sich vor ihnen. Aber wer — fragt sich ernsthaft besorgt die 'taz‘-Sportredaktion — wer schützt uns vor den Schützen? Die Frage steht drohend im Raum, wenn man die aktuelle 'SPORTS‘- Umfrage liest. Das Edel-Magazin befragte 700 anscheinend völlig ahnungslose Spitzensportlerinnen und Spitzensportler, wem sie bei der Bundestagswahl am 2.Dezember voraussichtlich ihre Stimme geben werden. Die Antworten der meisten nationalen Top-Athleten lassen zugleich Haare zu Berge stehen und kalte Schauer über den Rücken jagen.
Durch und durch Kohl-gefällig entschieden sich die ab sofort auf erhöhter Sportförderung spekulierenden Reiter (75 Prozent) und Fechter (79,6). Alles in den finsteren Schatten stellen jedoch die dunkel-schwarz wählenden Schützen, von denen wahrlich bittere 90 Prozent auf die CDU/CSU feuern würden. Auf dem Stimmzettel. Nur 9,5 Prozent der Ballermänner und -frauen gestehen eine SPD-Symphathie, der Rest wählt „Sonstige“. Die 'taz‘-Sportredakteure verkünden an dieser Stelle innerlich beruhigt und durchaus stolz, daß sie mit sicherem Instinkt den Schießsport fast immer von der „Leibesübungs“-Seite fernhalten konnten. Wir befanden uns sozusagen außer Feuerweite und werden uns weiter zurückziehen. Ob es sich für die Fechter auch bald ausgefichtelt hat, müssen erst detaillierte Nachrecherchen klären.
Andere Sportarten fordern dagegen zunehmend unser ungebrochenes Interesse und mehr Platz auf den fraglos zu knapp bemessenen Sportseiten. Die Judokas ernten Lob für mickrige 14 Prozent CDU-Stimmchen, ziehen ihren Wurf jedoch nicht konsequent durch, verharren liberal unentschlossen in der Mitte und entscheiden sich zu 33 Prozent für die FDP. Bürgerbewegte Teile der Tennis- Truppen („Wir sind das Volk!“) können zwar die ausgeprägte Yuppie-Fraktion (62 Prozent CDU) nicht verhindern, sorgen aber durch 9,5 Prozent Neues Forum für ein erstaunliches Zeichen gereiften Zeitgeistes.
Die Volleyballer schmettern sich zu 58 Prozent in die Rosa-Reihen der Sozialdemokratie, sind aber mit 14 Prozent bemerkenswert grün angehaucht. Auch Segler fühlen sich durch ihre intensiven Erlebnisse auf unterschiedlich stark stinkenden Segelrevieren von grünen Idealen angezogen (14), während man bei den Tischtennis-Spielern (21,5) mehr eine innige Beziehung zur Farbe der Spielplatte befürchten muß. Das Ergebnis geht trotzdem in Ordnung. Wie bei den Handballern, die ihrer proletarischen Geschichte gerecht werden und mit 84 Prozent SPD + 9 Prozent Grüne den 4 Prozent CDU- Leuten keinen Ball zuspielen. Im Falle eines christdemokratischen Wahlsieges ist somit konsequenterweise die Existenzfrage des Handballsport zu stellen.
Auch wenn die Repräsentanz der Umfrage fragwürdig bleibt, verwundert schon, daß selbst in der ehemaligen DDR kein Athlet den Mumm hat, der PDS/Linke Liste seine Stimme schenken will. Als Dank für das Zuckerblasen der letzten Jahre hätte die SED-Nachfolgerin schon ein wenig mehr sportliche Fairneß verdient. Aber sie sammelt ihre Punkte mehr bei den DDR- Stars vergangener Jahre, die mit verständlich oder unverständlich verklärter Sicht auf das einstige Sportparadies zurückblicken, heute aber nicht mehr gefragt sind.
Über weitere Konsequenzen dieser politischen Willensbekundung verschiedenster Sportarten für die weitere Sportberichterstattung wird die 'taz‘ (Kleiner Hinweis an rachsüchtige Schützen: Wir tragen fortan kugelsichere Trainingsanzüge!) in Kürze mit einer Erklärung an die Öffentlichkeit treten. Es bleibt also wenig Zeit für einen Sinneswandel: Sportpolitakrobaten, vollzieht die Wende nach der Wende. bossi
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