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Belächelt, verhaßt und bewundert

■ Abdullah Öcalan, Generalsekretär der PKK, noch vor zehn Jahren ein Unbekannter

Die türkischen Politiker hassen ihn, die Kurden in der Türkei bewundern ihn abgöttisch: Abdullah Öcalan, „Generalsekretär der Arbeiterpartei Kurdistans, PKK“. In den siebziger Jahren wurde der Student der Politikwissenschaften an der Universität Ankara noch von seinen revolutionären Kommilitionen belächelt — zu abstrus waren seine Ideen. Heute führt er eine stramm organisierte, effizient geführte Guerillabewegung an, der der türkische Staat machtlos gegenüber steht.

Apo, wie ihn Anhänger und Feinde nennen, war noch vor zehn Jahren ein Unbekannter. Die erste spektakuläre Aktion der PKK war ein Anschlag auf einen Militärstützpunkt am 15. August 1984. Der türkische Staat bewertete den Vorfall damals als kleinen „Terrorakt einer separatistischen Organisation“. Heute müssen selbst erbitterte Feinde der PKK eingestehen, daß die Guerilla über Massenanhang in den kurdischen Gebieten der Türkei verfügt. Die Massendemonstrationen im März dieses Jahres, der „Serhildan“, das kurdische Gegenstück zur palästinensischen Intifada, zeugen hiervon.

Die Repressionspolitik des türkischen Staates gegenüber der kurdischen Nationalbewegung — Vertreibung, Terror, Massenprozesse und die Politik der „verbrannten Erde“ — trieb viele Kurden in die Arme der PKK, die durch ihren bewaffneten Kampf als einzige Kraft für eine Politik des Widerstands erschien. Auch stalinistische „Säuberungen“ in den eigenen Reihen, Attentate auf „Abweichler“ und die Ermordung von Zivilisten minderten die Unterstützung für die PKK nicht. Mittlerweile distanziert sich die Organisation von solchen barbarischen Aktionen.

Kurdistan, so heißt es im Programm der PKK, ist eine klassische Kolonie, aufgeteilt unter die vier Staaten Türkei, Irak, Iran und Syrien. „Die nationale Befreiung ist nur durch den bewaffneten Kampf gegen den türkischen Kolonialstaat und seine Kollaborateure zu erreichen.“ Laut PKK-Programm sollen feudale Ausbeutung, die reaktionären Stammesorganisationen und die Ausbeutung der Frau abgeschafft werden. Nicht zu Unrecht mißtrauen viele Linke angesichts der undemokratischen innerparteilichen Praxis solchen programmatischen Erklärungen. Doch auch bei der PKK und ihrem Vorsitzenden Abdullah Öcalan scheint sich ein Wandel abzuzeichnen. Zunehmend sucht die PKK auch Kontakt und inhaltliche Auseinandersetzung mit der türkischen Linken.

Vor dem Düsseldorfer Oberlandesgericht läuft derzeit ein Verfahren gegen 20 Kurden. Die Bundesanwaltschaft wirft ihnen vor, als Mitglieder einer „terroristischen Vereinigung“ innerhalb der PKK gewirkt zu haben — für Öcalan ein Versuch, den kurdischen Befreiungskampf zu kriminalisieren.

Die Zentrale der PKK liegt in einem Ausläufer der libanesischen Bekaa-Ebene. Dort wurde das Gespräch mit Abdullah Öcalan geführt. Ömer Erzeren

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