Kohl würdigt Minderheitenrechte

Regierungserklärung zu Verträgen mit Polen und der Sowjetunion/ Lob aus allen Fraktionen Lafontaine knöpfte sich in seiner Entgegnung die Bonner Rüstungspolitik vor  ■ Aus Bonn Ferdos Forudastan

Lob für die zwischen der Bundesrepublik und Polen sowie der Sowjetunion abgeschlossenen Verträge gab es gestern im Bundestag von den Vertretern aller Fraktionen. In seiner Regierungserklärung versuchte Kanzler Helmut Kohl deutlich, auch die Vertriebenen für die neuen vertraglichen Beziehungen mit den östlichen Nachbarn zu gewinnen: So bezeichnete er als „Kernstück“ des Freundschaftsvertrages mit Polen die Rechte der dort lebenden deutschen Minderheit.

Kohl wies indirekt darauf hin, daß diese Rechte zukünftig international einklagbar sein müßten. In dem Teil seiner Rede über das Verhältnis zu Polen hob er als besonders Leidtragende nur die deutschen Vertriebenen hervor. Er koppelte erneut den Vertrag, in dem die Westgrenze Polens anerkannt wird, erneut an den „Freundschaftsvertrag“, der die Rechte der deutschen Minderheit garantiert.

Wie Polen sagte Kohl auch der Sowjetunion allgemein zu, sie bei „Wirtschaftsreformen in Richtung Marktwirtschaft“ zu unterstützen. Der Besuch des sowjetischen Staatschefs Gorbatschow hat nach den Worten Kohls „das gemeinsame Bewußtsein, welch große Bedeutung unserem Verhältnis für die Zukunft ganz Europas und für den Frieden in der Welt zukommt“, verdeutlicht. Auch zum deutsch-sowjetischen Freundschaftsvertrag hob Kohl als „besonders“ die Teile zu den Deutschstämmigen hervor. Er appellierte an die Bevölkerung, gegenüber den hier lebenden sowjetischen Soldaten eine „menschliche Haltung“ zu bewahren.

SPD-Kanzlerkandidat Oskar Lafontaine, der Kohl direkt antwortete, kritisierte die Bundesregierung heftig für ihre Rüstungspolitik: dafür, daß sie weiterhin den Jäger 90 entwickeln will, an anderen Aufrüstungsprogrammen festhält und ihre Mittel für Militärisches nicht gekürzt hat. Diese Milliardensummen könnten, so Lafontaine, zur Unterstützung der sowjetischen Wirtschaftsreformen verwendet werden. Ausführlich schalt der Kanzlerkandidat die Bundesregierung auch für ihre Rüstungsexportpolitik des „augenzwinkernden Einverständnisses“ und die „ruinöse Inflationierung der Staatsverschuldung“, mit der sie eine „Politik der Zweiklassengesellschaft“ betreibe.

Wolfgang Ullmann von der Fraktion Die Grünen/Bündnis 90 fand zum Thema Europa für den Bundestag ungewohnt kritische Worte: Europa sei nicht nur Stätte der Begegnung, sondern auch Ort der Abgrenzung der ersten und zweiten Welt gegen die Welt des Südens.

Zwei Entschließungsanträge von SPD und Grünen, in denen gefordert wurde, den Grenzvertrag mit Polen sofort zu ratifizieren, nahm die CDU/CSU/FDP-Mehrheit nicht an.