Duchac unter fremdem Dach

Thüringens Ministerpräsident orientierte sich moderat am westlichen Vorbild/ DGB blockiert Umzug des Landtags in eigene Räume  ■ Aus Erfurt Heide Platen

45 Seiten lang war sie, die Regierungserklärung des thüringischen Ministerpräsidenten Josef Duchac (CDU). Noch bis in die Nacht hinein hieß es, habe er daran gearbeitet. Eine flammende Rede war es nicht, die er dem neuen Landesparlament dann am Donnerstag vorlas. Um kaum ein Jota war Duchac vom Parteiprogramm seiner westlichen Lehrmeister abgewichen — nur klang alles ein wenig verhaltener. Statt auf Industrieinvestoren, die „in einer schwierigen Situation“ seien, setzte er vorsichtshalber auf den Mittelstand.

Daß nichts geht ohne eine funktionierende Infrastruktur in Thürigen, deren Fehlen vom Telefon bis zur Energieversorgung Duchac konstatierte, erfuhr die versammelte Volksvertretung außerhalb des ausdauernden Vortrags am eigenen Leib.

Duchac regiert in Thüringen noch immer wie Johann ohne Land im 13. Jahrhundert. Das Parlament hat nach wie vor keine Bleibe. Die Abgeordneten quetschten sich nach der Sitzung in die drangvolle Enge kleiner Zimmerchen im Erdgeschoß des Rates des Bezirkes. Den vorläufigen Gastgebern war es sichtlich peinlich, daß auch Abgeordnete Schwierigkeiten hatten, vorbei an jenen blue collored people, die in der Ex-DDR sichtlich die wessideutschen Hausmeister ersetzen, in das Gebäude zu gelangen.

Was dem englischen König die Magna Charta, ist für Duchac vorerst der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB). Die Düsseldorfer halten den Daumen auf jenes Gebäude am Juri-Gagarin-Ring, in das die Parlamentarier eigentlich längst eingezogen sein wollten. Verhandlungen mit dem hessischen DGB-Vorsitzenden Jungmann brachten in dieser Woche noch keine Einigung.

Mittlerweile ist der Erfurter Oberbürgermeister Ruge, der um den Status der Landeshauptstadt bangt, auf den Plan getreten. Er bot dem DGB im Austausch ein oder mehrere Gebäude an. Die Alternativen hörten sich für die Gewerkschafter nicht verlockend an: das ehemalige Wehrkreiskommando, das „Haus des Lehrers“, ein Bauarbeiter-Hotel, die ehemalige Kali-Zentrale und das Haus, in dem die Abgeordneten derzeit untergeracht sind. Der DGB denkt noch darüber nach.

Währenddessen haben sich die Städte Weimar und Gera wieder in die Hauptstadtdiskussion eingemischt. Weimar bot den Umbau eines Kinosaals an, Gera sucht noch nach „geeigneten Räumen“. „Zumindest“, stellte ein Abgeordneter fest, „haben wir damit keine anderen Probleme als die gesamte Bevölkerung auch.“ Den Grünen zum Beispiel steht inzwischen eine Mieterhöhung von 165 auf 4.300 Mark für ihr Büro in der Innenstadt ins Haus. Auch die autonomen Frauen bangen um das Haus, daß ihnen der Runde Tisch zugewiesen hatte. Der Westbesitzer hat sich gemeldet.