: SPD-Linke hält rot-grüne Option offen
■ Interview mit Peter Strieder, SPD-Linker und Kreisvorsitzender der SPD Kreuzberg: Mißtrauensantrag der AL muß vom Tisch/ »Berliner Linie« muß politisch fortgeschrieben werden
taz: Herr Strieder, die Linke in der SPD hat nach der letzten Wahl das rot-grüne Bündnis bei der Siegesfeier herbeigerufen. Wird es diese Rufe jetzt wieder geben?
Peter Strieder: Ich denke, daß die Linke weiterhin die Option auf Rot- Grün nach dem 2. Dezember offenhalten will. Wir werden das versuchen. Wir haben dies auch in den Beratungen von Fraktion und erweitertem Landesvorstand klargemacht, und es ist dann nach der Diskussion einvernehmlich festgestellt worden, daß eine solche Option auch besteht. Die alte Linie der Partei ist da bestätigt worden, wobei ich sage, daß ich große Schwierigkeiten sehe, dann tatsächlich Rot-Grün durchzusetzen.
Wenn die AL bei ihrem Mißtrauensantrag bleibt, wird sie in der SPD-Linken noch einen Bündnispartner haben?
Dann wird natürlich alles noch viel schwieriger. Ich hoffe, daß die AL sich besinnt.
Die AL fordert die Einsetzung eines Runden Tisches zu Wohnungsnot und -leerstand und ein Räumungsmoratorium.
Zunächst mal muß das Mißtrauensvotum vom Tisch. Dann muß man überlegen, was denn dieses Räumungsmoratorium und der Runde Tisch sollen. Es kommt nicht darauf an, in welcher Form die Verhandlungen geführt werden, ob nun am Runden Tisch oder in Einzelverhandlungen, sondern es kommt darauf an, deutlich zu machen, daß die Räumung der Mainzer Straße mit der »Berliner Linie« überhaupt nichts zu tun hat. Die Mainzer Straße ist nicht deswegen geräumt worden, weil das besetzte Häuser sind, sondern weil nach den Räumungen in der Pfarrstraße und in der Cotheniusstraße im Bereich der Mainzer Straße erhebliche Straftaten verübt worden sind. Das hat was mit dem Koalitionsprogramm zu tun, wo drinsteht, daß man sich an das staatliche Gewaltmonopol gebunden fühlt und daß es keine Gruppierung in der Koalition gibt, die Gewaltmaßnahmen nichtstaatlicher Gruppen unterstützt. Dagegen hat die AL verstoßen. Diese Frage muß noch viel klarer definiert werden, als es bisher der Fall war.
Taugt denn die »Berliner Linie« angesichts der Situation, daß in Ost- Berlin 25.000 Wohnungen leerstehen, daß es üblich war, sich Wohnungen zu nehmen, weil die Kommunalen Wohnungsverwaltungen nicht zu einer zügigen Vergabe fähig waren, noch etwas?
Ich denke, daß man dem Bausenator Nagel sagen muß, daß er noch ein paar Hausaufgaben machen muß. Nagel muß sich fragen lassen, ob denn wirklich eine 1981 formulierte politische Ausgangssituation 1990 noch Anwendung finden kann. 25.000 leerstehende Wohnungen, das ist Wohnraum für eine ganze Kleinstadt mit 75.000 Menschen. Ich denke, man muß zu neuen politischen Alternativen kommen. Interview: Raul Gersson
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