UDRÜS KOLUMNE
: Aromatherapie mit Kohl & Pinkel

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Laura macht einen Kurs bei Heide und ist anschließend eine qualifizierte Rebirtherin. Heide macht ein Vitalogie-Seminar bei Tom, der gerade von einem Rebalance-Training bei Beate kommt, die an diesem Wochenende eine Brain/Mind-Maschine in 12 bequemen Monatsraten kaufen möchte. So schließt sich denn der Reigen in der Kunsthalle (!) am Wall, wo heute die Esoterik-Tage 90 beginnen. Fachkongreß und Fachausstellung, Fachvorträge und Schnupperkurse in Aroma-Therapie, Massage und vedischer Auralogie: You can get it if you really want! In der Service-Abteilung gibt es gegen Vorlage des Kundendienst-Scheckheftes die Möglichkeit, locker gewordene Schrauben beim persönlichen Schutzengel nachziehen zu lassen. Innerhalb der Garantiezeit aber werden die Schutzengel auch in Zahlung genommen beim Erwerb eines obertönenden Gurus mit intensivem Enlightment. Verstehen Sie bitte, daß dieses Angebot nur begrenzt verfügbar ist, weil: es geht ja auch viel in die neuen Bundesländer, gerade bei den Sonderangeboten. Für bewußte Esoterik-Konsumenten offeriert das bremisch-spirituelle Stadtmagazin Körper Geist Seele (KGS) im Kleinanzeigenteil „eine neue Methode, die Deinen Guru prüft“, analog zur beliebten Schadstoffanalyse der Rauhfasertapete. Den Naman des Lehrers / Meisters bitte mit 50 Mark (bar oder Scheck) an die Fa.Allax, 2 Hamburg 70, Bredstedter Str.19 schicken und abwarten. Für Schnäppchenjäger am Guru-Markt, die schnell entscheiden müssen, hier noch die Telefonnummer: 040/6526194, ab 19 Uhr. Verstehen Sie bitte bei aller Liebe, daß eine Haftung nicht übernommen werden kann. Auch dem Karma des Beschissenwerdens können wir schließlich nicht entgehen ...

Für Nervenkitzel sorgte Woche für Woche Harry Warrelmann als Bremens öberschter Sprengmeister und Bombenentsorger. Und während Otto Rehagel und Aalonkel Georg Hurrelmann einstweilen erhalten bleiben, verläßt Kultfigur Harry W. die Stadt seiner großen Erfolge, um künftig in Darmstadt sein dynamisches Handwerk als reiner Schreibtischtäter zu betreiben. Wer nimmt sich nun der hanseatischen Blindgänger an? Und wer vermittelt in Zukunft das erbauliche Gefühl rundumversorgter Sicherheit? Vielleicht stellt Ralf Borttscheller als hiesiger Gauweiler-Resident schon in der nächsten Woche ein „Bremer Modell“ vor für den Einsatz kurdischer Kleinhändler bei der Minenräumung vor ...

Verzichten müssen wir auch auf das buten & binnen bekannte Wetterhähnchen Egon Wellenbrink. Der Pausenclown des Heimatsenders vom Tabellenführer der Fußballbundeliga wird bald bei den Privaten von Sat 1 brave Jungen und Mädchen über Gott, die Welt und Dinosaurier aufklären. Für Egon-Fans mit Furcht vor garnix kündigt der jugendliche Kaffeeonkel bereits das Erscheinen seiner Single „Wind in my face“ an. Kenner regionaler Verhälnisse vermuten, daß Egons Posten im Rahmen einer umfassenden Senatsumbildung an Henning Scherf abgetreten wird. Wer sonst könnte so betroffen blickend über schlechtes Wetter reden?

Die große Stunde für den Senatsgefreiten Bernd E. Neumann schlägt heute unweit des Völkerschlachtdenkmals in Leipzig, wo der stadtbekannte Looser als „medien- und kulturpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion“ an einer zweistündigen Debatte zum Thema „Frei, aber pleite. DDR-Kultur vor dem Bankrott“ teilnehmen darf. Übertragen wird ab 20.15 Uhr über ARD-1plus, und weil sowieso kein Schwein guckt, sei dem gewissermaßen Medienreferenten schon jetzt ein anerkennenden „Nur weiter so!“ zugerufen.

Unzweifelhaft hat es seine tieferliegenden Gründe, daß die Kohl-und Pinkelsaison für die immer so gut ankommenden Bremer am Bußtag beginnt. Schon Ludwig (nicht Herbert!) Marcuse stellte in den späten 50er Jahren fest: „Man wird nicht den Snobismus empfinden, solange man das Kulinarische verächtlich denunziert.“ Dem geneigten Leser erschließt sich der Sinnzusammenhang allerdings nur dann, wenn er den Begriff „das Kulinarische“ angemessen akzentuiert. Der Freßorden für sich genommen ist noch keine Senatsmedaille, sondern verlangt nach subtiler Erhöhung. Schon mal Grünkohl mit Crab Meat gegessen? Da kommt kein Preßsack in Minz-Rahmsauce mit! (Siehe auch hierzu Walter Benjamin: „Mag man beim Essen die Zeitung lesen, wenn es sein muß. Aber niemals einen Roman. Das sind Obliegenheiten, die sich schlagen.“)

PS.: Wem nun erst recht manches im Dunkeln erscheint, dem sei mit Walter Serner trutzig zugerufen: „Machen Sie den Oberkellner des Straßencafés nie für das trübe Novemberwetter verantwortlich! Es empfiehlt sich das Polieren der Manschettenknöpfe.“