: Wall Street Junkies
■ Wie die Junk-Bonds funktionierten — und warum MIT DEM SCHROTTPAPIER AUF DU UND DU
New York/Berlin (taz) — Ende der siebziger Jahre, als Michael Milken noch Chef der „Forschungsgruppe Wertpapiere“ der US-Investmentbank Drexel Burnham Lambert war, hatte er einen prima Einfall. Weil zahlreiche kleinere, aber schnellwachsende Firmen unter Kapitalmangel litten, entwickelte Milken das Finanzinstrument der junk bonds, sogenannter Schrottanleihen. Sie wurden stark gestückelt an Anleger verkauft und, weil hochriskant, mit sehr hohen Zinsen ausgestattet. Schon 1982 wurde Drexel mit diesem Rezept zum Marktführer.
Doch in dem allmählich warmlaufenden Yuppie-Klima der Wall Street reichte das nicht aus — mehr Geld, mehr Provisionen, mehr Gewinn mußten her. Es war nur noch ein kleiner Schritt bis zur Finanzierung riesiger Firmenübernahmen auf Junk-Bond-Basis, auch gegen den Willen des Managements des betroffenen Konzerns. Das Schema war häufig das gleiche: Banken liehen das Geld, mit dem den erfreuten Aktionären ihre Anteile zu überteuerten Kursen abgekauft wurde. Anschließend wurde die übernommene Firma gezwungen, Junk-Bonds zu begeben, die wegen der hohen Zinsen vor allem für Sparkassen, Versicherungen und Pensionsfonds interessant waren. Mit den Einnahmen daraus wurden die Überbrückungskredite abgezahlt, anschließend das übernommen Unternehmen ausgeschlachtet und die lukrativsten Teile wiederum an der Börse verkauft. Daraus und aus den laufenden Gewinnen der Firmen wurden die Zinsen für die Junkies bezahlt.
Das Ganze klappt natürlich nur solange, wie die Zinsbedienung der Junkies sichergestellt war. Zwischen 1986 und 1989 war der Markt auf ein Volumen von jährlich über 30 Milliarden Dollar angeschwollen. Mit dem Börsencrash von 1987 als erstem Dämpfer und der nachlassenden US-Konjunktur brachten die Weiterverkäufe jedoch nicht mehr ausreichend Geld — und das ganze Kartenhaus stürzte im Herbst letzten Jahres zusammen.
Und nicht nur das: Als ob die mehr als eine Milliarde Dollar, die er innerhalb weniger Jahre als Drexel-Gehalt verdient hatte, nicht genug gewesen wäre, hatte Milken seine Insider-Kenntnisse noch kräftig für allerlei Manipulationen genutzt, um sich und andere Kollegen an den steigenden Börsenkursen „privat“ mitverdienen zu lassen. Die illegalen, nicht die legalen Spekulationen brachten ihn jetzt hinter Gitter. diba
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