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Einfach ein Feindbild gesucht

■ Junger Berliner ohne sein Wissen auf Rep-Propagandaplakaten abgebildet/ Bayram B. will sich wehren

Berlin. Wer im Einzugsgebiet der »Republikaner« wohnt, hat es mit spitzen Fingern aus der Post gefischt: ein Flugblatt mit der Schlagzeile »Berlin muß deutsch bleiben«, darunter ein Bild, das zwischen behelmten Polizeibeamten einen türkischen Jugendlichen mit erhobenen Fäusten zeigt. In Überlebensgröße hängt das gleiche Foto mittlerweile in zahlreichen U-Bahnhöfen. Der da als Personifikation der »ausländischen Bedrohung« abgebildet ist, heißt Bayram B., ist in Berlin zu Hause und empört über »diesen Rufmord«. Er hat nun einen Anwalt beauftragt, gerichtliche Schritte gegen die Reps einzuleiten.

Das Foto, so der 22jährige, sei am 20. April 1989 gemacht worden, als er aus Protest gegen rechtsradikale Feierlichkeiten anläßlich des 100. Geburtstags von Adolf Hitler an einer Demonstration teilnahm. »Ein verdammt makabres Gefühl« habe er verspürt, als er sich vor ein paar Tagen zum ersten Mal auf einem U-Bahnhof auf dem Plakat wiedererkannte. Die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel gerät für ihn seitdem zum Spießrutenlauf: »Die Leute starren mich permanent an und fragen sich: Ist er das oder nicht?« Das Foto ist über das Bildarchiv der 'Deutschen Presseagentur‘ ('dpa‘) zu den Reps gelangt. Dort, so die Auskunft der zuständigen 'dpa‘-Mitarbeiterin Hausberger, hätten die Berliner Reps das Bild für »ihre Mitgliederinformationen« angefordert. Daß damit nun U-Bahn-Wände beklebt und Hausbriefkästen bestückt werden, war 'dpa‘ nicht bekannt. »Auf unseren Lieferscheinen ist ausdrücklich festgelegt, daß die Bilder nicht für Werbezwecke verwandt werden dürfen«, erklärte Frau Hausberger. Über mögliche Konsequenzen will man sich nun beraten.

Harsche Kritik von BVG-KundInnen an den Wahlplakaten verzeichnet Detlef Kuno, Hauptabteilungsleiter der Vereinigten Verkehrsreklame (VVR-)Berek, die für die Plakatierung in U- und S-Bahnhöfen zuständig ist. Ihm selbst seien die Hände gebunden. Politische Parteien, sofern sie zur Wahl zugelassen sind, dürften plakatieren und müßten — zu Kunos persönlichem Bedauern — ihre Plakate noch nicht einmal zu einer inhaltlichen Prüfung vorlegen.

Wahltaktisch betrachtet, sind die unverhohlen rassistischen Slogans und Plakate offensichtlich letztes Rettungsmanöver der angeschlagenen »Republikaner«. Im Zuge der Vereinigung und des gesamtpolitischen Rechtstrends sowie parteiinterner Streitereien sind die Reps zunehmend ins Abseits geraten. Hinzu kommt, daß die CDU mit etwas subtilerer Ausländerfeindlichkeit und Law-and-order-Kraftsprüchen den rechten Rand einzusäumen droht. Frank Degen, Fraktionsvorsitzender der Reps im Abgeordnetenhaus, markiert trotzdem Zuversicht und spricht von 20 bis 30 »zustimmenden Telefonanrufen« in der Parteizentrale der Rechtsradikalen.

Anderes weiß da Bernd Lindenau von der Deutschen Postgewerkschaft zu berichten. Zunehmend würden sich Postboten darüber beschweren, die rassistischen Hauswurfsendungen austragen zu müssen. »Die fühlen sich mißbraucht«, so Lindenau, dürften die Zustellung nach geltender Rechtsprechung aber nicht ablehnen. Auch dem Wunsch vieler EmpfängerInnen, »den Mist gleich wieder mitzunehmen«, dürfen die PostbotInnen nicht nachkommen. Statt dessen empfiehlt Lindenau: eintüten und mit dem Vermerk »Annahme verweigert« an den Absender zurückschicken. Andrea Böhm

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