: Was der Esel...
■ Bernd Glemsers Klavierabend in fast leerer „Glocke“
Im Rahmen seiner Tournee gastierte Bernd Glemser am vergangenen Freitagabend in der Glocke. Obwohl das Konzert groß angekündigt war — und trotz eines früheren Erfolges in der Waldorfschule — Glemsers Können hatte sich wohl noch nicht herumgesprochen. So war der Große Saal mit nur etwa hundert Zuhörern enttäuschend leer.
Glemser gelingen immer wieder sensationelle Konzerterfolge. Er beherrscht die hohe Kunst, jedem Werk den jeweils spezifischen Klang abzuhören und adäquat umzusetzen. So spielte er Haydns h-moll-Sonate orientiert am Klang des Hamerklaviers (zurückgenommene Dynamik; sprechende Artikulation und Phrasierung; Nachahmung des „Aeolsharfen“-Effektes der Hammerklavier-„Verschiebung“). Ebenso geschickt vollzog er die bestürzenden Kontraste und Konflikte der späten Klavierwerke Schuberts nach (Klavierstück Es- Dur; zwei Impromptus in B und Es) und bewältigte spielend die schwere Liszt-Bearbeitung von Schuberts „Valse caprice Nr.6“. Glemsers Interpretation der unglaublich kühnen, leider viel zu selten aufgeführten Sonate f-moll op.5 von Brahms war schlicht atemberaubend, die langsamen Sätze geradezu zum Weinen schön!
Solche Interpretationen gelingen nur bei tiefer geistiger Durchdringung und dem Erfassen der technischen „Handschrift“ der Komponisten. Das bewies Glemser auch in zwei Zugaben (Rachmaninow, Prelude gis-moll; Strawinsky, „Petruschka“-Ausschnitt). Das ignorante Durchschnittspublikum, das allein große Namen hofiert (z.B. Michelangeli; von Justus Frantz ganz zu schweigen!), war weggeblieben — zynisch formuliert: Gott sei Dank. Denn die kleine Zuhörerschaft zeigte sich ungemein verständig und schaffte es wohl, dem Solisten jene beflügelnde Atmosphäre zu vermitteln, die ihm Lust verschafft, alles zu geben. So wurde Bernd Glemsers Konzert das, was das Programmheft bereits vorher versprach: Ein Erlebnis. Gunnar Cohrs
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