Ruf doch mal wieder an

■ »The Kill Off«-ein Telefonversuchssplatter im Eiszeit

Als Clarence John Blake 1876 das erste serienreife Telefon baute, verwendete er noch Trommelfelle und Ohrknöchelchen einer Leiche. Nicht viel, um Geisterstimmen hörbar zu machen und ihnen ein Medium zu verschaffen, über das sie sich ab und zu mal melden können. Wo immer Telefone klingeln, haust seitdem ein Gespenst in der Muschel. Und Wes Craven könnte — nachdem er nun schon das Tiefschlafgespenst Freddy und das Fernsehgespenst Shocker aufgestöbert hat — langsam auch einen Film über das Spaghettimonster drehen, das sich durch die Sprechmuschellöcher preßt. Bis dahin müssen wir mit realistischen Kriminalgeschichten vorlieb nehmen, in denen das Telefon schon eine unauffällig große Rolle bei der Verbreitung des allgemeinen Unheils spielt.

Hitchcock hat das Telefon immerhin als technisches Hilfsmittel beim Mord berühmt gemacht, aber erst Maggie Greenwald schlachtet in The Kill Off das Bei-Anruf-Mord-Thema richtig aus und installiert das Telefon als todbringende Instanz fest im amerikanischen Kleinstadtalltag. Der Apparat steht im Zentrum des Bösen, neben dem Bett einer alternden Frau, die das Haus selbst nicht mehr verläßt, aber von ihrem einfältigen Mann mit Informationen über die Vergehen ihrer Mitmenschen versorgt wird. Louane macht eine Datenbank der Schuld auf, die sie direkt ins Telefon einspeist. Die ersten fangen an sich umzubringen (ein Geschwisterpaar — in Blutschande). Mit Inzest, Kindesmißhandlung, Drogensucht und fahrlässiger Tötung ist überhaupt die ganze Schuldpalette der Oberklasse vertreten.

Das Kaff könnte man geschlossen einweisen, aber in der Einöde von New Jersey sind Waffen doch noch leichter zu bekommen als Sprechstunden. Und die einzig gelangweilte Ehefrau, die in unseren Breitengraden eine Telefonseelsorge aufziehen würde, um mit den Geistern ihre Plauderstündchen abzuhalten, ist Louane. Louane, die es schafft, daß drei Leute sich unabhängig voneinander aufmachen, ihr ein für allemal das Maul zu stopfen.

Das finale und etwas urtümliche Geschieße reichert den Film dann vor allem mit Toten an und verpaßt ihm das kompromißlos realistische Outfit — an die Kamerafahrten zu Beginn, entlang zwitschernder Telefonleitungen, kommt es nicht heran. Greenwald ergeht sich nicht in irgendwelcher Versinnbildlichung der Intrigennetze, sie filmt einfach, was hier zur Todeslogik gehört.

Ganz allein hat sich Greenwald die Geschichte nicht ausgedacht. Die literarische Vorlage stammt vom amerikanischen Krimiautor Jim Thompson, dessen Bücher sich gerade eines kleinen Verfilmungsbooms erfreuen. Nach (u.a.) The Getaway von Peckinpah und The Killer inside me, verfilmt von Burt Kennedy, plant jetzt auch der Mann mit der goldenen Kamera, Stephen Frears eine Thompson-Adaption und true fan Greenwald sitzt schon an ihrer zweiten — Savage Night.

The Kill Off ist aber keine der Blut- und-Eingeweide-Interpretationen einer Thompsonschen Novelle. Denn die amerikanische Provinz ist in Wirklichkeit gar nicht so splattertauglich, sie ist einfach nur schäbig und unerfreulich. Die kommunikationsgestörten, tendenziell immer bösartigen Thompson/Greenwald-Figuren (»Love me, or I'll beat our goddamed head off!«) haben deshalb auch nur einen sehr niedrigen Unterhaltungswert; je weniger am Schluß übrig bleiben, um so besser. Insofern könnte man das Kino natürlich relativ beschwingt verlassen. kolt

»The Kill Off« (OF), von Maggie Greenwald, täglich jeweils 22 Uhr im Eiszeit, Zeughofstraße, Berlin 36.