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Ente weg — alles gut!

■ Vier Sprüche und ein Hallelujah: Fußballmessias Daum ließ 35.000 Schwaben ins Nirwana taumeln PRESS-SCHLAG

Do kanns zaubere! (BAP)

Wir schreiben die Woche eins der neuen, christophschen Zeitrechnung. Ganz Fußballschwaben liegt in einem Begeisterungstaumel, der seinesgleichen sucht. Ganz Fußballschwaben? Ja, ja, und nochmals ja. Also endlich der langersehnte Coup, deutsche Meisterschaft, Europameisterschaft, Weltmeisterschaft, alles alles für den VfB? Äh, nicht ganz, aber immerhin, ein Spiel haben's gewonnen, mit Toren und auch zwei Punkten am Ende.

Wie das passieren konnte? Nun, in der Pressekonferenz behauptete ein drahtiger Bursche, der vorher noch nie dagewesen war, bemittelscheitelt und mit wild umherirrenden Augen, es sei „ein Erfolg der Mannschaft“ gewesen und man habe „in der einen oder anderen Situation Glück gehabt“. Doch das wollte keiner so recht glauben. Ein Erfolg der Mannschaft! Vielmehr hielt sich hartnäckig das Gerücht, daß der so bescheiden auftretende Mittelscheitel selbst die Ursache alles Guten gewesen sei.

Denn der heißt Christoph Daum, sieht eigentlich aus wie du und ich [na, na, zügeln Sie Ihre Phantasie, Herr Autor; d. säzz.] — vielleicht, daß er ein bißchen viel quasselt — wurde aber seit seiner Ankunft in der Schwabenmetropole bestaunt wie ein Wundertier, gelobt über den Schellenkönig und angebetet wie der, ...nun ja.

Der Erlöser halt, die Fußballsprache schreckt vor der dümmlichsten und unpassendsten Vereinnahmung von Worten genauso wenig zurück wie obiger Protagonist vor dem dreistesten Spruch. Der Erlöser, ja, der Erlöser, der den Schwabenstolz aus seinem unverschuldeten Elend (selbst das gefiedertierfreundliche Nies hatte nach der letzten Niederlage den Euphemismus „Es muß jetzt was passieren“ bemüht) herausführen sollte, schnurstracks, und wenn möglich noch ins UEFA-Nirwana.

Daß es dann nach einer Stunde 2:0 für einen eher harmlosen 1. FC Köln stand, irritierte 35.000 Schwaben etwas, stellte sich dann aber nur als erste Glaubensprüfung heraus. Nachdem lange genug gelitten war, und dennoch alle treu zur Stange gehalten hatten („VfB — Kopf hoch“ und selbst „Eike Immel für Deutschland“) schritt der Messias zur Tat. Erst fiel der Ball vor die Füße vom Wiggerl Kögl, dann spielte Karle Allgöwer den Sammer frei und zum Abschluß zeigte Daum seine ganze Brillanz. Mittelstürmer Sverrisson (!) holte sich einen Einwurf, Mittelfeldspieler Buck (!) ging rechts auf und davon und Mittelstürmer (!) Allgöwer köpfte ein. Kinderleicht, wenn die richtigen Leute in der richtigen Sekunde am richtigen Platz stehen.

Da schwenkte der A-Block seine Schals im Herzschlagtakt, die Paparazzi, die zu Dutzenden während der gesamten Begegnung vor der Südmilch-Bank huldigten, schossen das millionste Daum- Foto, und ein dem Delirium verdächtig naher Schwabe neben mir (oder war ich es gar selbst?) brüllte Hosianna.

Da fiel es auch nicht mehr ins Gewicht, daß ein miesepetriger Udo Lattek, früher selbst so eine Art Wunderheiler, behauptete, „Stuttgart war eigentlich schon mausetot“, und „ich bin noch nicht mal sicher, daß der (Daum) es (das, äh, Wunder) mitbeeinflußt hat“.

Keine Ahnung hat der Kerl. Ohne Daum, das wußten alle, hätte es nie und nimmer einen Sieg gegeben, denn: „Wenn Du anfängst, übers Verlieren nachzudenken, verlierst du“ (Chr. Daum, 13. Offenbarung). Den Fehler, solch unnützes Gedankengut mit sich herumzuschleppen, macht einer wie er eben nicht. Peter Unfried

P.S.: Auch auf dem Parkplatz vor dem Neckarstadion hat sich was getan. Ist doch gleich ein anderer Anblick, wenn ein dicker Daimler neben Gaudinos Ferrari parkt, statt wie früher ein Fahrradl, das einem gewissen Willi Entenmann gehört haben soll. Keine Ahnung, wer das war.

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