: Rote Karte für Olympia
■ Zu lange zauderte die Alternative Liste (AL) Berlins in Sachen Olympia/ Nun, nach der offiziellen Bewerbung, begründet die AL erstmals öffentlich ihre Ablehnung. Nur 50 Menschen wollten das hören
Berlin (taz) — Lange hat es gedauert, bis sich die Alternative Liste (AL) zur endgültigen Ablehnung von Olympia 2000 in Berlin durchgerungen hat. Nun, 14 Tage nach dem Ausstieg aus der rot-grünen Regierung und vier Wochen nach der Entscheidung von Fraktion und Partei gegen Olympia, diskutierte die AL am vergangenen Wochenende erstmals öffentlich. Titel der Tagung: „Keine Olympiade in Berlin“. Ohne Fragezeichen.
Mitveranstalter waren die Bonner Grünen, deren Mann im Bundestagssportausschuß, Jürgen Brauer, schon immer prinzipiell gegen jede Olympiade, egal wo, war. Der Fundamentalist nutzte die Veranstaltung als kleines Tribunal gegen seine pragmatischen Kollegen vor Ort, den ehemaligen AL-Sportstaatssekretär Hans-Jürgen Kuhn und den AL-Sportsprecher Albert Statz. Als Referenten waren geladen der Schriftsteller Gerhard Zwerenz, in jugendlichen Jahren Zeitzeuge 1936 und Antiolympionike des Kulturfachs („Das war unsere Präformierung für den Zweiten Weltkrieg“) sowie der Kunsthistoriker Hans- Ernst Mittig, der detailliert die Wirkungsweise der faschistischen Architektur des Olympiaensembles rund um das Stadion erläuterte. Es sei übersät mit „sichtbaren Hinweisen auf einen militanten Totenkult“. Hier waren die Positionen von vornherein klar. Zwerenz meinte, daß „von Deutschland zwei Weltkriege und zwei Olympiaden ausgegangen“ seien. Dies sei „für dieses Jahrhundert mehr als genug“. Olympia könne auch nicht von Opponenten idealistisch erneuert werden, da die „Interpretationsdiktatur“ beim „Kapital und den herrschenden Kräften“ liege. Kulturforscher Mittig kritisierte den bis heute falschen Umgang mit der olympischen Hinterlassenschaft der Nazis (siehe Interview). Der kontroverseste und konkreteste Part hingegen fiel weg, weil der Stadtplaner Wulf Eichstädt das Motto „Keine Olympiade in Berlin“ als zu verengt befand und abgesagt hatte.
Nur rund 50 HauptstadtbewohnerInnen waren gekommen. Die Diskussionsbereitschaft über das Für und Wider von Olympia ist in Berlin bisher gering — auch weil die AL als kritisches Potential lange ausfiel. Erstaunlich lange für ein Ökopartei, aber erklärlich durch die Tatsache, daß die AL immerhin eine Sportsenatorin und einen Sportstaatssekretär stellte. Auch das Stadtplanungsressort wurde von einer sehr pragmatischen AL-Senatorin geleitet. Von Anfang an sollte die grundsätzliche Diskussion innerhalb der Partei vermieden werden, man wollte „politikfähig“ bleiben.
Schließlich träumte der alternative Sportstaatssekretär Kuhn monatelang davon, „dezentrale und sanfte“ Spiele federführend organisieren zu dürfen — am besten mit ausführlicher Aufarbeitung der 36er Olympiade und leistungssportkritischem Beiprogramm. Das brachte NOK-Chef Willi Daume natürlich auf die Palme. Er forderte vom Regierenden Bürgermeister Momper (SPD), den AL-Staatssekretär von den Olympiaaufgaben zu entbinden, kurz: kaltzustellen.
Die AL und die Sportsenatorin fügten sich und hofften ganz insgeheim darauf, die Spiele noch auf das Jahr 2004 verschieben zu können, um zeitlichen und politischen Spielraum zu gewinnen.
Doch dann zockte Momper den Beschluß des Olympiakonzepts und die Bewerbung beim NOK noch vor der Konstituierung des neu zu wählenden Gesamtberliner Parlaments durch — gegen den erklärten Willen der drei AL-Senatorinnen. Den Alternativen waren das unausgereifte finanzielle Konzept und der geringe Einfluß des Landes Berlin in der Olympia-GmbH Dornen im Auge. Der gleichzeitige Ausbau Berlins zum Regierungssitz und zur Olympiastadt werde vermutlich Mitte der 90er Jahre zu einer „Lex-Olympia“ führen, die „die demokratische Planungskultur“ außer Kraft setze. Nix würde es dann mit der Mitbestimmung der Bürger an den Bauvorhaben. So stimmten die AL-Senatorinnen in Sachen Olympia nicht mit oder enthielten sich. Erst als alle realpolitischen Argumente bei der SPD auf taube Ohren stießen, fuhr man die Antilinie.
Die Grünen aus Bonn und Berlin stritten am Wochenende nur noch darüber, wer denn die besseren Argumente gegen Olympia habe oder hatte. Offen blieb, wie man nun eine Anti-Olympia-Bewegung in der Stadt organisieren könnte, bevor die ersten Stadien ausgehoben werden. Hans-Hermann Kotte
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