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Nach der Wahl: Kohl ändert Gatt-Haltung

Genf (taz) — Gestern haben sich zum Abschluß der Genfer Verhandlungen über ein neues „Zoll- und Handelsabkommen“ (Gatt) die Anzeichen deutlich verstärkt: Die Bonner Koalition wird ihre bisher mit Rücksicht auf die Bauern eingenommene harte Haltung hinsichtlich einer Reduzierung von Agrarsubventionen nach dem Gewinn der Bundestagswahlen am Sonntag verändern. Die Einschätzung, daß die BRD als stärkster Wirtschaftsfaktor in der EG auch eine flexiblere Haltung der Zwölfergemeinschaft bei der am Montag in Brüssel beginnenden Gatt-Ministerrunde ermöglichen werde, ist seit Wochen offene Spekulation unter den meisten der 107 Genfer Gatt-Delegationen. Auf die Frage der taz, ob er ebenfalls mit einer solchen Entwicklung rechne, erklärte Gatt-Generaldirektor Arthur Dunkel gestern: „Ich verfüge über Informationen, wonach die bevorstehenden deutschen Wahlen die Bundesregierung bislang daran gehindert haben, in der Agrarfrage ihre Karten auf den Tisch zu legen.“ Diese Äußerung überrascht insofern, als Dunkel eine Antwort auf entsprechende Fragen bislang vermieden hatte. Schon Anfang Oktober hatten die taz und eine kanadische Wirtschaftszeitung unter Berufung auf hochrangige US-Regierungskreise — bis heute undementiert — berichtet, daß Kanzler Kohl bei seinem letzten Washingtonbesuch gegenüber Präsident Bush um Verständis für die harte Bonner Haltung in der Subventionsfrage geworben und zugleich zugesichert hatte, für eine flexiblere Haltung der EG nach dem 2. Dezember zu sorgen. US-Agrarminister Clayton Yeutter wollte gestern gegenüber der taz zwar „verbindliche Zusagen“ Bonns nicht bestätigen. Zugleich erklärte er jedoch, seine Regierung setzte „große Hoffungen auf die Bundesregierung“, die eine „wichtige und zentrale Rolle“ für die Bestimmung der EG-Position bei den am Montag in Brüssel beginnenden Verhandlungen der Handels- und Agrarminister spiele. Die 24 Minister der EG treffen sich bereits am Sonntag abend in Brüssel zur Abstimmung ihrer Verhandlungslinie — nachdem die Wahllokale in der BRD geschlossen sind. Andreas Zumach

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