»Ein Regierungsamt engt mich nur ein«

■ Hinter den Kulissen: Porträt des CDU-Generalsekretärs Klaus-Rüdiger Landowsky

Einen Fehler will Klaus-Rüdiger Landowsky nicht noch einmal machen: vor den Wahlen Siegesstimmung zu verbreiten. Das bittere Gefühl der unerwarteten Niederlage vom 29. Januar 1989 steckt noch in den Knochen. Danach, sagt er heute, seien einsame Stunden für ihn angebrochen. Mehr läßt sich Landowsky über diesen Abend, an dem für die CDU eine Welt zusammenbrach, nicht entlocken.

Aus der Niederlage und dem verpfuschten Wahlkampf hat man bei der CDU gelernt. Man verläßt sich nicht mehr ausschließlich auf das Konterfei des Spitzenkandidaten Eberhard Diepgen, was demoskopisch auch nur schwer zu rechtfertigen wäre. Die CDU wirbt mit politischen Inhalten: Gleichen Lohn für gleiche Arbeit verspricht man auf Plakaten den Wählern im Ostteil, »Nie wieder Rot-Grün« heißt die Parole im Westen. »Politische Entscheidungen«, doziert Landowsky, »fällen die Menschen zwischen Angst und Freude.« Also wird an das appelliert, wovor die Wähler Angst haben könnten: vor dem Ausländerwahlrecht, vor Drogen, Jugendbanden oder der PDS. Gleichzeitig aber versucht man, sich weltmännisch und metropolitan geben.

Landowsky ist einer der Exponenten dieser Strategie, ob in der Diskussion der Jungen Union über »Jugendbanden«, beim Lokaltermin in der Mainzer Straße kurz vor der Räumung oder bei der Befragung von Parteienvertretern durch Bärbel Bohley und Jens Reich letzten Montag in der Humboldt-Universität. Dort, vor linksliberalem Publikum, gelingt ihm ohne Schlips und im legeren Jackett problemlos die Wandlung zum versöhnlichen Vertreter einer Volkspartei, der die Verdienste des Runden Tisches und der Bürgerbewegungen würdigt und sich irgendwann einmal sogar eine Koalition vorstellen kann. »Der Landowsky hat wohl Kreide gefressen«, resümiert Moderatorin Lea Rosh an diesem Abend. Der Wolf nimmt es geschmeichelt zur Kenntnis.

Die politische Karriere dieses Mannes liest sich in seinen Worten wie ein christdemokratisches Bilderbuch. Am Anfang war das politische Schlüsselerlebnis: Der Ungarn-Aufstand 1956 habe ihn, damals 14 Jahre alt, so geprägt, »daß eine sozialistische Partei für mich nicht mehr in Frage kam«. Ein Jahr später war er Mitglied der Jungen Union, zwei Jahre darauf Kreisvorsitzender der JU in Neukölln. So etwas erzählt er nicht beiläufig, sondern genüßlich — als sei seine Karriere schon damals vorbestimmt gewesen. Seit April 1975 sitzt er im Abgeordnetenhaus, heute ist er stellvertretender Fraktionsvorsitzender und vor allem Generalsekretär der Partei. Ein Regierungsamt hat er nie gewollt und auch nie gebraucht. »Auf der Regierungsbank ist man eingeengter«, sagt Landowsky. Seinen hochdotierten Posten als Vorstandssprecher der Berliner Pfandbrief-Bank, immer wieder Gegenstand heißer Debatten um seine Ämterhäufung, müßte er dann auch aufgeben. Charakterisierungen wie »Drahtzieher«, »Führer einer Betonriege« oder »Machtpolitiker«, die intern sogar in der Union zu hören sind, lassen ihn kalt. Nach der Bedeutung von Macht gefragt, reagiert er mit betont desinteressiertem Gesichtsausdruck: »Macht? Das gehört nicht zu meinen Begriffen. Ich mache Politik, um zu gestalten und zu verändern.« So redet einer, der glaubt, daß ihm keiner gefährlich werden kann, zumindest nicht im eigenen Revier. In der Tat ist offene Kritik innerhalb der Berliner CDU eine ausgesprochen verkümmerte Form der Auseinandersetzung. Unmut gegen Landowskys Hauspolitik wird, wenn überhaupt, hinter verschlossenen Türen laut. Schon beim Stichwort »Beton« winkt Klaus-Rüdiger Landowsky amüsiert ab. »Je unterlegener man sich fühlt, desto größer die Verbalinjurien.«

Demagogisches Talent bescheinigen ihm seine Gegner; er streite sich eben gerne, sagt er selber. In Live- Auftritten wirkt er zweifellos überzeugender als der farblose Spitzenkandidat Eberhard Diepgen mit seiner antrainierten Gestik und Volkshochschulrhetorik. Aber an jenem Abend in der Humboldt-Universität reicht das Talent dann doch nicht aus. Hier, wo er sich tatsächlich streiten könnte, ist er zum Streit gar nicht fähig, reagiert kokett beleidigt auf die kleinste Unmutsäußerung im Publikum (»Ich weiß ja, daß ich hier kein Heimspiel habe«). Als er ein paar Mal unter dem Beifall der Anwesenden von Bärbel Bohley auf die Schippe genommen wird, ist die Souveränität für einen Sekundenbruchteil aus seinem Gesicht verschwunden. Die Mimik gefriert. Nach Ende der Veranstaltung bittet ein französisches Kamerateam noch um ein Interview. Die Scheinwerfer gehen an, die Kamera läuft, routinemäßig und überzeugend spult er die Schlagworte ab: »Angst der Bürger... steigende Kriminalität... polnische Gäste.... Sinti und Roma aus Rumänien.« Andrea Böhm